Berglauf: „Angst um unser Leben“
Der Wuppertaler Achim Heukemes lief mit auf die Zugspitze: Er versteht weder den Veranstalter noch den Leichtsinn der Läufer.
Wuppertal. "Wir hatten wirklich Angst um unser Leben", berichten Dagmar Großheim (46) und Achim Heukemes (56). Die Frau aus Viersen und ihr Wuppertaler Lebensgefährte waren am Sonntag hautnah dabei, als der Berglauf auf die Zugspitze durch einen Wintereinbruch zu einem Drama wurde, das am Ende zwei Läufer mit dem Leben bezahlten.
"Es ist fast schon ein Wunder, dass es nur zwei gewesen sind. Es hätten genauso gut acht oder zehn sein können", sagt Heukemes. Schließlich seien sechs weitere Läufer durch Reanimation gerade noch so gerettet worden.
Heukemes schüttelt den Kopf, als er sich an den Start erinnert. Da hatte sich für den erfahrenen Sportler schon abgezeichnet, dass an diesem Tag etliche Teilnehmer richtig Probleme bekommen könnten. Auf 1000 Metern Höhe herrschten ungemütliche 13Grad. Damit war klar, dass die Temperatur am Ziel auf knapp 3000 Metern kaum über Null liegen würde. Die Wettervorhersage verhieß keinerlei Besserung.
"Da muss man auch an die Eigenverantwortung der Läufer appellieren", sagt Heukemes. "Dann kann man eben nicht mit kurzer Hose, einem dünnen Laufshirt und leichten Straßen-Laufschuhen ohne Profil an den Start gehen wie bei einem City-Lauf bei 20 Grad." Als einer der weltbesten Ultraläufer weiß er, wie wichtig die richtige Ausrüstung ist. Er hatte sich wie seine Partnerin Funktionsunterwäsche, eine knielange Hose und ein langärmliges Laufshirt übergestreift sowie eine Mütze aufgesetzt. Dagmar Großheim, die ebenfalls professionelle Extremsportlerin ist, hatte sogar Handschuhe angezogen.
Heukemes war auf der 16 Kilometer langen Strecke mit der Spitzengruppe unterwegs. Nach 1:45 Stunden erreichte der Wuppertaler die Schluss-Steigung, bei der es auf einem Kilometer Strecke 400 Höhenmeter nach oben geht. Wind in Orkanstärke pfiff um die Zugspitze, dazu setzten Hagel und starker Schneefall ein.
"Ich fühlte mich eigentlich gut, war aber plötzlich auf halbem Weg nach oben regelrecht eingekeilt, weil vor und hinter mir die Läufer nicht mehr weiterkonnten und sich verzweifelt an den Drahtseilen festklammerten, die den schmalen Weg absichern", sagt Heukemes. "Glücklicherweise waren sehr viele Leute von der Bergwacht da, die die unterkühlten Menschen aus der Wand gerettet haben. Sonst wären die dort erfroren." Verzweifelt hätten entkräftete Menschen um Hilfe gerufen. Noch dramatischer ging es 400 Höhenmeter tiefer zu, wo sich Dagmar Großheim und das Gros der Läufer gerade noch in das Restaurant auf der Sonnenalp retten konnten.
"Meine Finger konnte ich nicht mehr bewegen. Meine Arme und Beine waren fast steif gefroren", schildert die durchtrainierte Athletin, die erst nach 45 Minuten eine Tasse Tee halten konnte. Kellner und Köche versorgten die Menschen, teilweise wurden sie in Tischdecken gehüllt. Dass zwei Teilnehmer den Extremlauf mit dem Leben bezahlt hatten, erfuhren Dagmar Großheim und Achim Heukemes erst, als sie wieder im Tal waren.
Dass der Veranstalter den Lauf wegen der dramatischen Wetterverschlechterung nicht abbrach, können sie nicht nachvollziehen: "Im vergangenen Jahr ist der Lauf bei wesentlich besseren Bedingungen an der Sonnenalp abgebrochen worden." Dem Ruf der Berge wollen die Beiden aber weiter folgen: Am kommenden Wochenende laufen sie auf den Großglockner.