Dramatischer Geburtenrückgang in Taiwan
Im Jahr des Tigers geht die Geburtenrate noch weiter zurück. Denn „Tigerkinder“ gelten als aufsässig. Ihre Chancen im Job sind schlecht, weil Taiwans Chefs an Horoskope glauben.
Taipeh. In den Abteilungen für vorgeburtliche Medizin in den Krankenhäusern Taiwans herrscht Flaute. Grund dafür ist der Glaube vieler Taiwanesen, das Jahr 2010 wäre kein gutes Jahr zum Kinderkriegen. Nach dem traditionellen Mondkalender ist es das Jahr des Tigers. Und Kinder, die unter diesem Tierkreiszeichen geboren werden, gelten als rebellisch.
Das Innenministerium appellierte an die Bürger, nicht den Wahrsagern zu glauben. Doch die Mahnung der Politik stößt bei Ehepaaren auf taube Ohren. Denn ein schlechtes Horoskop kann zur Bürde werden: Leiter der Personalabteilungen taiwanesischer Firmen legen in der Regel nicht nur großen Wert auf Zeugnisse und Einstellungstest, sondern auch auf Astrologie.
Für die Anhänger chinesischer Astrologie steht jedes Jahr unter dem Einfluss eines von zwölf Tierzeichen. Den in den Jahren der Ratte, der Schlange oder etwa des Rindes geborenen Kindern werden die Persönlichkeitsmerkmale des betreffenden Tierzeichens zugeordnet. Wer zum Beispiel im Jahr der Ratte geboren wurde, gilt als besonders befähigt, auf Probleme schnell zu reagieren, was später angeblich besonders einer Karriere im Finanzwesen zugutekommen soll.
Aber in den Jobs, die "Tigerkindern" empfohlen werden, sehen taiwanesische Eltern ihren Nachwuchs nur ungern: Kapitän, Reiseführer, Fahrer, Reporter oder Fotomodel. Eine weitere Besonderheit ist, dass sie angeblich nicht als Trauzeugen geeignet sind, weil sonst die Ehe von Anfang an unter einem schlechten Stern stehen soll.
Nach den Statistiken des Innenministeriums gebaren Taiwans Frauen in den ersten vier Monaten dieses Jahres 57 088 Babys - das sind 5000 weniger als im Vorjahreszeitraum. Taiwan, das 2009 mit nur 8,29 Geburten auf 1000 Menschen zum Schlusslicht in den weltweiten Geburtenstatistiken wurde, befürchtet, dass die demografische Entwicklung in Zukunft viele Probleme bereiten wird, vor allem in der Bildung und im staatlichen Krankenversicherungssystem.
Die Regierung startete einige Förderprogramme, um die Geburtenrate ansteigen zu lassen. Ab 2011 wird es Pauschalprämien von umgerechnet 500 Euro für jede Geburt geben. Und mit umgerechnet 20 000 Euro soll sogar derjenige belohnt werden, der einen Slogan erfindet, der die Taiwanesen dazu bewegt, mehr Kinder auf die Welt zu bringen.