Einmal Spaghetti Bolognese: Banker kochen für Obdachlose
Freiwillige stellen sich bei der Hilfsorganisation Emmaus in Köln an den Herd.
Köln. Maximilian Blusch schaut sich ratlos in der Großküche um. "Wie viele Liter fasst so ein Topf?", fragt der Betriebswirt und deutet auf ein 50-Liter-Gefäß, in dem einmal eine Bolognese-Soße mit Spaghetti köcheln soll. Gemeinsam mit sechs Kollegen von der Sparkasse Köln-Bonn tauscht Blusch nach Dienstschluss Anzug gegen Schürze. In den Räumen der Hilfsorganisation Emmaus in Köln-Weidenpesch wollen sie an diesem Abend für Obdachlose und Bedürftige kochen.
Bei Emmaus wird nicht mit Millionen Euro jongliert, es werden keine Bankkunden beraten und Kredite vergeben. In dem Mehrfamilienhaus ist das Geld knapp. Hier wohnen und arbeiten rund ein Dutzend Menschen zusammen, deren Leben irgendwann aus den Fugen geraten ist. "Wir haben hier wieder Tritt gefasst. Das Glück hat nicht jeder", sagt Bewohner Christoph. Deshalb wird in der riesigen Küche gekocht - für Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben.
Fünf Kilo Hackfleisch, fünf Kilo Nudeln und etliche Dosen mit geschälten Tomaten müssen verarbeitet werden. "Das sollte für 50 Leute reichen", sagt Michaela Heerling. Die Redakteurin von Center TV kocht jeden Donnerstag mit anderen Freiwilligen in den Emmaus-Räumen für Obdachlose. Weil sie den Finanztipp des Sparkassenteams betreut, kam sie auf die Idee, den Bankern einen Rollentausch anzubieten.
"Da haben wir sofort Ja gesagt", erzählt Vorstandsmitglied Christoph Siemons. Als PR-Gag will er die Aktion nicht verstanden wissen. "Natürlich hat das Image der Banken gelitten", sagt er, "aber das hier machen wir privat, für uns." So werden Unmengen Fleisch angebraten, literweise Kaffee und Tee gekocht.
"Hier fehlt Salz", bemerkt Maximilian Blusch und prüft die Soße. "Ich kann Menschen, denen es nicht so gut geht, etwas zurückzugeben." In seinem Job gehe er mit Geschäftskunden um. "Nun bin ich auf die ungewohnte Situation gespannt." Ungeduldig schaut er auf die Uhr: Um neun ist die Essensausgabe an der U-Bahn-Station Appelhofplatz.
Ein bisschen mulmig ist den Hobbyköchen schon, als Michaela Heerling ihnen einige Verhaltensregeln mit auf den Weg gibt. "Manche sind betrunken oder stehen unter Drogen. Wenn es zum Streit kommt, versuchen sie nicht zu schlichten." 80Prozent der Obdachlosen seien männlich. Am Monatsende kämen viele Hartz-IV-Empfänger, teilweise mit Kindern, weil das Geld nicht reicht. Nachdenklich schleppen die Banker Boxen mit Plastikgeschirr in einen Kleinbus.
Es nieselt leicht, als der Bus am Appelhofplatz eintrifft. Dort warten schon 15, 20Menschen in einer langen Reihe. Erwartungsvoll schaut eine alte Frau in den Topf. "Hmm, Spaghetti-Bolognese", sagt sie und strahlt. Auf der Straße lebe sie nicht, erzählt sie. "Aber ich habe nur eine kleine Rente." Dankbar nimmt sie eine Tafel Schokolade und eine Apfelsine mit. "Die halte ich mir für morgen", fügt sie hinzu.
"Darf ich mir den Becher mit Zuckerwürfeln füllen?", fragt ein junger Mann. Die Emmaus-Helfer schauen sich an - die schnellen Kohlenhydrate stillen den Hunger. "Endlich mal keine Suppe", knurrt ein alter Mann mit weißem Bart. Er schwankt leicht und zieht einen Trolli hinter sich her. "Wenn ich hier bin, macht der keinen Ärger", versichert Emmaus-Bewohner Christoph und baut sich zu seiner Größe von geschätzten zwei Metern auf.
"Wer das hier erlebt hat, ist wieder geerdet", sagt die Bankangestellte Stefanie Kulozik auf der Rückfahrt zum Emmaus-Haus. Und auf einmal wird es ganz still im Kleinbus.