Haiti leidet auch sechs Monate nach dem Beben
Von den versprochenen Hilfsgeldern ist bislang nur ein Bruchteil angekommen.
Port-au-Prince. Die Geduld vieler Haitianer scheint erschöpft. Sechs Monate nach dem verheerenden Erdbeben der Stärke 7,0 wartet das ärmste Land der westlichen Hemisphäre noch immer auf den Großteil der zugesagten Milliarden-Hilfen.
Die Hauptstadt Port-au-Prince gleicht auch heute noch einer Trümmerlandschaft. Die Katastrophe hinterließ mehr als 220.000 Tote, machte 1,5 Millionen Menschen obdachlos. Die sehen sich nun einer weiteren Naturbedrohung ausgesetzt: In der Region hat die Hurrikan-Saison begonnen, und die soll dieses Jahr besonders heftig werden.
Anders als die Soforthilfen nach dem Erdbeben im Januar fließen die versprochenen Gelder in Höhe von mehr als elf Milliarden US-Dollar nur zögerlich. Viele Hilfsorganisation sind beunruhigt, und auch die Vereinten Nationen pochen auf die Einhaltung der Versprechen.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bemängelte, dass das Hilfsprogramm nicht so schnell wie geplant vorankommt. Beim Treffen der Karibischen Gemeinschaft (Caricom) in Jamaika vor wenigen Tagen machte er aber auch klar, dass Geduld notwendig ist. "Die Erholung wird viele Jahre dauern und bedarf der beharrlichen Anstrengung aller Partner Haitis."
Mitten im Chaos gab die Fußball-WM vielen Haitianern eine kleine Verschnaufpause und die Chance, die Misere wenigstens für ein paar Stunden zu vergessen. Für die meisten Haitianer ist Brasilien wie eine zweite Nationalmannschaft. Viele sind aber auch Fans des Erzrivalen Argentinien. Beide Mannschaften schieden vorzeitig aus. Haiti selbst schaffte es nur einmal in die Endrunde: 1974 in Deutschland.
Die UN-Truppen hatten gemeinsam mit Hilfsorganisationen Bildschirme hergerichtet, auf denen die Spiele aus Südafrika zu sehen waren. In den Straßen von Port-au-Prince waren Fahnen der WM-Teilnehmer zu sehen. Während der Fußball-WM ruhten auch die Proteste auf der Straße.
Doch Oppositionsführer kündigten schon für Dienstag neue Protestmärsche an. Diese Aktionen werden an Intensität zunehmen, je näher der 28. November rückt. Dann werden in Haiti ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt. Präsident Préval darf laut Verfassung nicht mehr antreten. Auch die politische Zukunft Haitis ist ungewiss.