Jacques Chirac: Ein Deutschland-Fan sagt „Adieu“

Zwölf Jahre lang pflegteJacques Chirac als Staatspräsident die deutsch-französische Nachbarschaft. Drei Kanzler lernte er kennen. Nun nimmt er Abschied in Berlin.

Berlin. Das letzte Treffen war symbolträchtig angelegt. Um Jacques Chirac "Adieu" zu sagen, hatte sich die Gastgeberin Angela Merkel eine besondere Geste einfallen lassen. Für den scheidenden französischen Staatspräsidenten stand zur Begrüßung nicht das sonst übliche Wachbataillon bereit, sondern eine Abordnung der deutsch-französischen Brigade.

Gestern hatte sich der 74-Jährige am späten Nachmittag auf seiner letzten Auslandsreise in Berlin angesagt. Für Chirac, dessen Amtszeit am 16. Mai endet, war dieser Termin ein bewusst stilvoller Abschied von der Verantwortung für die Pflege der deutsch-französischen Beziehungen, die in seinen zwölf Amtsjahren Höhen und Tiefen erlebten.

Mit drei Kanzlern hat er es in dieser Zeit zu tun gehabt. Kein anderer ausländischer Staatsmann war so häufig in Deutschland. 32 Mal war Chirac seit 1995 auf Visite im Nachbarland. Dies entspricht einem Durchschnitt von fast drei Besuchen im Jahr. "Da bin ich schon wieder", lauteten oft seine ersten Worte, wenn er im Kanzleramt in Bonn und dann in Berlin wieder einmal aus dem Wagen stieg.

"Ich habe zu allen deutschen Politikern vertrauensvolle und freundschaftliche Beziehungen unterhalten", zog Chirac Bilanz. Er habe bei Gesprächen mit den Regierungschefs auf der anderen Rheinseite immer das Gefühl gehabt, "dass ich sagen kann, was ich denke, ohne Umschweife, ohne jemanden zu verletzen" - was in Paris offenbar nicht so einfach geht.

Knapp 18 Monate dauerte die "deutsch-französische Ehe" mit Angela Merkel, die Chirac obligatorisch mit Handkuss begrüßt. Die Harmonie wurde zuletzt durch die Airbus-Krise und Prestigefragen wie den Standort der europäischen Börse vorübergehend strapaziert.

Helmut Kohl habe er "nicht so gut gekannt", erzählt Chirac. Beide hielten ab 1995 rund drei Jahre den deutsch-französischen Motor in Gang. Kohl trauerte lange dem engen Vertrauensverhältnis mit Chiracs Vorgänger, dem Sozialisten François Mitterrand, nach. Als zeitweiser Ministerpräsident hatte der Konservative Chirac vorher die Kreise des eingespielten Gespanns Kohl-Mitterand mitunter gestört.

Vita Chirac wurde am 29. November 1932 in Paris geboren. Mit seiner Frau Bernadette Chirac hat er zwei Töchter, zudem nahm er 1979 eine Vietnamesin wie eine Tochter bei sich auf.

Politik Chirac war seit den 60er Jahren enger Mitarbeiter der Präsidenten Pompidou und Giscard d’Estaing und zwei Mal - 1974 bis 1976 und 1986 bis 1988 - Premierminister. Von 1977 bis zur Wahl zum Staatspräsidenten 1995 war er Bürgermeister von Paris. 1981 und 1988 hatte er erfolglos für das Präsidentenamt kandidiert.