Klimaschutz: Wer weit fliegt, verpestet seine Umwelt

Experten präsentieren den deutschen Reiseweltmeistern unangenehme Fakten. Kurz-Tripps sollten ganz tabu sein.

Berlin. Die einen werben mit "Günstiger nach Italien fliegen! Einfacher Flug ab 9,99 Euro", andere bieten "Flüge zum Smile-Preis ab günstigen 19,99 Euro". Nie zuvor waren Flugreisen in Deutschland so billig. Manchmal kostet das Ticket in die Sonne weniger als eine Taxifahrt durch die Stadt. Wer im Billigflieger nach Palma, Rom oder London sitzt, denkt kaum darüber nach, was er damit der Umwelt antut.

Doch im Zuge der Klimadebatte schlagen Wissenschaftler Alarm und präsentieren den als "Reiseweltmeistern" bekannten Deutschen unangenehme Fakten. "Wer mit dem Flugzeug nach Südostasien reist, sollte wissen, dass dabei mehr als sechs Tonnen Kohlendioxid pro Kopf entstehen", rechnete der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, vor. Ein Bahn-Reisender, der von Berlin an die Ostsee und zurück fährt, verursache nur 35 Kilogramm CO2.

Bleibe im Lande und hilf der Umwelt, lautet die Empfehlung der Klimafachleute. Der Tourismusexperte des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Manfred Stock, brachte es auf die einfache Formel: "Sylt statt Seychellen: Wer etwas für den Klimaschutz tun will, sollte Flugreisen vermeiden und in Deutschland Urlaub machen." Doch nicht nur Fernreisen sind den Umweltschützern ein Dorn im Auge. Jeder sollte prüfen, ob er auf das Fliegen nicht ganz verzichten kann, riet die Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, Brigitte Behrens. Also kein Christmas-Shopping in London? "Wochenend-Tripps per Flieger sind unter Klima-Gesichtspunkten tabu", stellte Behrens kategorisch fest.

Die Reisebranche, die sich vom 7. bis zum 11. März in Berlin zur Internationalen Tourismusbörse (ITB) trifft, dürfte solche Töne nur ungern hören. Schließlich geht es um viel Geld. 2005 erzielten die deutschen Reiseveranstalter einen Gesamtumsatz von 19,4 Milliarden Euro - Tendenz steigend. Nach einer Analyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen unternahmen die Deutschen 2005 fast 80 Millionen Reisen von fünf und mehr Tagen.

Doch die Warnungen vor der Zerstörung der Umwelt bieten auch Chancen für heimische Regionen. ITB-Direktor Martin Buck erwartet denn auch einen Schub für das Reiseland Deutschland: "In wenigen Jahren wird es in weiten Kreisen der Bevölkerung nicht mehr chic sein, während des Urlaubs die Umwelt mit zu viel CO2 zu verpesten."

Allerdings boomt Urlaub im eigenen Land schon länger. 2006 verbrachten 34 Prozent ihre Ferien zwischen Flensburg und den Alpen. Das waren nach einer Analyse des BAT-Freizeit-Forschungsinstituts zwei Prozentpunkte mehr als 2005. "Vor allem bei Zweit- und Drittreisen neigen die Deutschen dazu, das eigene Land zu wählen", sagte BAT-Leiter Horst Opaschowski bei der Vorstellung der Studie. Allerdings war nicht die Nordsee-Insel Sylt die Alternative zu den Seychellen. Vom Deutschland-Reisetrend profitierte vor allem Bayern mit einem Anteil von 7,7 Prozent, gefolgt von der Ostseeküste mit 7,4 Prozent. Die Nordsee lag mit 4,9 Prozent abgeschlagen.

Die Politik sprang schnell auf das neue Thema. "Es gibt viele wunderbare Ferienregionen in Deutschland", so Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. "Deutschland ist reich an Kulturschätzen und landschaftlich reizvollen Gebieten", ergänzte der Tourismus-Beauftragte der Bundesregierung, Ernst Hinsken (CSU). Doch Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU), der sich über das steigende Interesse eigentlich freuen sollte, warnte vor falschen Erwartungen: "Rücksichtnahme auf die Schöpfung ist gut, durch Verzicht auf Flugreisen werden die weltweiten Klimaprobleme nicht gelöst."