Klimawandel: Bayern statt Bahamas
Wissenschaftler und Politiker warnen vor Flugreisen ins Ausland. Sie werben für Urlaub in heimischen Gefilden. Greenpeace fordert: Billigflüge verbieten.
Berlin. Weniger Fernreisen und mehr Urlaub im eigenen Land - so kann nach Ansicht von Forschern und Politikern jeder Bürger etwas gegen den raschen Klimawandel unternehmen. "Sylt statt Seychellen: Wer etwas für den Klimaschutz tun will, sollte Flugreisen vermeiden und in Deutschland Urlaub machen", sagte Tourismusexperte Manfred Stock vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Greenpeace ging noch weiter. "Billigflüge zu Dumpingpreisen gehören verboten", sagte Deutschland-Geschäftsführerin Brigitte Behrens.
Auch die Kritik an der deutschen Autoindustrie hielt an. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) erinnerte die Vorstände an ihre "ökologische Verpflichtung". Der Klimawandel sei eine Gefahr wie früher das atomare Wettrüsten. "Da können sich die Manager nicht davonstehlen oder die Bedrohung verniedlichen." Porsche-Chef Wendelin Wiedeking wies die Kritik zurück: "Wir sind keine Schmutzfinken. Wer uns als Klimakiller bezeichnet, verfolgt anders motivierte Ziele. Der sucht das prominente Feindbild."
Nach Ansicht des Vizevorsitzenden der SPD-Fraktion im Bundestag, Ulrich Kelber, sei es ein "guter Beitrag zum Klimaschutz", auf Flugreisen zu verzichten. Urlaub in Deutschland oder im benachbarten Ausland sei sehr schön. "Und man kommt überall gut mit der Bahn ans Ziel." Ähnlich äußerte sich der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf (CSU). "Wir brauchen eine Veränderung im Lebensstil. Dazu gehört, dass wir wieder Qualität aus der Nähe schätzen lernen. Also lieber mal am Main entlangradeln, als eine Fernreise mit dem Flugzeug machen." Das bringe einem die Heimat näher und spare viele Tonnen CO2 ein. Auch der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Ernst Hinsken (CSU), wirbt für Urlaub in der Heimat: "Deutschland ist reich an Kulturschätzen und landschaftlich reizvollen Gebieten."
Die Fremdenverkehrsdirektoren von Westerland bis Garmisch haben bestimmt eine Flasche Sekt entkorkt. Der stammte natürlich aus Deutschland. Champagner wäre auch teurer, aber vor allem wäre der nicht so schön patriotisch und wegen der längeren Transportwege ökologisch im Nachteil. Denn plötzlich sind Begriffe wie Heimat, Bodenständigkeit und eben Urlaub in Deutschland überhaupt nichts Muffiges mehr, sondern trendig. Weltoffen und aufgeklärt für den Schutz der Umwelt eintreten - und sich gleichzeitig nicht mehr in der Welt umschauen - diese scheinbaren Gegensätze finden plötzlich im öffentlichen Bewusstsein zusammen.
Wir haben verstanden, dass wir den Kampf gegen den Klimawandel führen müssen. Selbst wenn wir gar nicht mit Sicherheit wissen, wie bedrohlich sich die Situation wirklich darstellt, ist das richtig. Allerdings sollten wir Hysterie vermeiden. Beispiel Fliegen: Ein Prozent des weltweiten Ölverbrauchs wird dafür verwendet. Wir neigen jetzt aber dazu, diese Form des privaten und geschäftlichen Reisens pauschal zu verteufeln. Denn neben dem sinnvollen Wettlauf gegen den Klimawandel beginnt ein teils absurder Wettlauf um die ausgefallensten Ideen dafür. Fast jeder will noch ökologisch korrekter agieren, als es die Grünen jemals taten.
Wahrscheinlich diskutieren wir bald über Fahrverbote an geraden, ungeraden, besonders sonnigen oder besonders trüben Tagen? Nachdem die steuerliche Pendlerpauschale stark beschnitten wurde, könnte man sie doch gleich in eine Pendler-Umweltschutz-Strafsteuer umwandeln? Wetten: Es wird Vorschläge dieser Art geben. Deren Für und Wider sinnvoll abzuwägen, wird problematisch sein. Denn Vernunft hat gegen den pauschalen Vorwurf, die Umwelt zu zerstören, keine Chance.
Trotz aller Gefahren, die durch einen Klimawandel drohen, sollten wir Augenmaß bewahren. Gängelungen und Verbote wären der falsche Weg. Es geht auch anders: Die Menschen fahren freiwilliger weniger Auto, wenn die Bahn attraktiv ist. Und Billigflüge zum Taxipreis müssen nicht gleich verboten werden. So etwas regelt der Markt mittelfristig von selbst, etwa wenn Fluggesellschaften merken, dass sich Dumpingpreise auf Dauer nicht rechnen.