Mesut Özil: Deutschlands neuer Liebling
Mesut Özil schießt Deutschland ins Achtelfinale, trägt Brillanten am Ohr, und seine Freundin konvertiert zum Islam.
Kapstadt. Manchmal hört man es noch heraus, dass er auf Bolzplätzen in Gelsenkirchen sozialisiert wurde, wo er mit Libanesen, Türken, Deutschen kickte. Und dass er zu Hause bei den Eltern und den drei Geschwistern meistens türkisch sprach, weil die Mutter nicht so gut deutsch konnte.
Seine Sätze sind pragmatisch - ohne unnötigen Ballast: "Einfach mal draufgeschossen, reingegangen, das Siegertor", sagt er erleichtert nach dem wohl schwersten WM-Spiel der deutschen Mannschaft.
Es war das entscheidende Tor zum 1:0 gegen Ghana, das Deutschland vor einem historischen Ausscheiden in der Vorrunde bewahrte.
Mesut Özil ist ein Vorzeige- Deutsch-Türke. Bundestrainer Joachim Löw lobt seinen Fleiß und Ehrgeiz, aber auch sein südländisches Temperament. Er ist der "man of the match". Die Medien handeln ihn als "Jahrhunderttalent".
"Wir neigen dazu, von ausländischen Spielern zu schwärmen, loben Ronaldo oder Messi. Aber den Messi, den haben wir selbst", schwärmt Horst Hrubesch, ehemaliger Europameister, über den 21-Jährigen.
Dabei ist das so genannte Jahrhunderttalent zunächst keine besonders markante Erscheinung: Klein, beinahe schmächtig wirkt er trotz seiner 1,82 Meter Größe von den Tribünen in Durban, Port Elizabeth und Johannesburg aus.
Sobald Özil aber das Stadion verlässt, verkörpert er etwas anderes. Er trägt Brillanten an beiden Ohren, einen dominanten Ring am Finger und stets überdimensional große Kopfhörer.
Wie ein Hip-Hop-Star sieht er dann aus, der die Musik aus den Ghettos salonfähig macht. Aber er ist eben kein Gangster-Rapper, sondern Fußballer.
Özil ist einer von den Guten - immer höflich, nie verweigert er den ihn in Beschlag nehmenden Journalisten eine Antwort - auf jede noch so lästige Frage.
Der Wahl-Bremer, dessen Vater bereits als Kind mit den Großeltern nach Deutschland eingewandert war, geht es wie so vielen in Deutschland. Zwischen den Welten hin- und hergerissen, von einigen wenigen immer noch nicht als "Voll-Deutscher" anerkannt.
2009 beschimpfte ihn ein NPD-Anhänger als "Plastedeutscher" (Ausweisdeutscher), obwohl Özil 2007 seine Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft beantragte.
"Du bist super, schade, dass du nicht für die Türkei spielst", schreibt ein Fan in das Gästebuch auf Ozils Homepage. Ein anderer wiederum ist glücklich: "Servus Mesut, ich bin so stolz darauf, dich als deutschen Nationalspieler zu haben", ist dort zu lesen.
Der Spieler lebt nach der Religion seines Herkunftslandes, und toleriert gleichzeitig die hiesige Lebensart. Seine große Liebe ist eine Deutsche, Anna Maria, die Schwester von Sarah Connor. Sie ist sieben Jahre älter als Özil und Mutter eines achtjährigen Sohnes.
Anna Maria lebt getrennt von ihrem zweiten Ehemann. Für Özil ist sie jetzt zum Islam konvertiert, das war dem Deutsch-Türken wichtig. Sie nahm dabei den neuen Namen Melek (Engel) an. Ihren Freund feuerte sie als erste Spielerfrau in Südafrika an.
Für ihn ist mit seiner Teilnahme an der WM ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. "Ich habe die Weltmeisterschaften bisher nur im Fernsehen gesehen", erklärt der junge Spieler.
Aus seinem Ehrgeiz macht er keinen Hehl: "Wir wollen gewinnen. Dafür sind wir hier." Vor den Engländern hat er keine Angst: "Ich habe gegen England das EM-Finale der U-21 gespielt, 4:0 geschlagen, den Pott geholt", sagt er und lacht.
"Wenn wir abrufen, was wir können, dann schlagen wir die Engländer. Wir haben keine Angst vor niemandem."