Mit der gestalterischen Kraft der Abrissbirne

Ostdeutschland und das Revier sind die Zukunftslaboratorien des 21. Jahrhunderts.

Duisburg. Die Stadt implodiert: Seit Beginn der Montankrise in den 60er Jahren kommen Duisburg die Menschen abhanden, allein seit 1980 schrumpfte die Bevölkerung um 57 000 auf jetzt 501 000 Einwohner. Bis zum Jahr 2020 wird die Kommune ein weiteres Viertel verlieren.

Wer die Folgen schrumpfender Ballungsräume studieren möchte, kann dies in Ostdeutschland und im Ruhrgebiet tun. Die betroffenen Regionen sind Experimentierfelder einer Nation, die innerhalb der nächsten 40 Jahre zehn Millionen Einwohner einbüßen wird.

Wie im Zeitraffer lassen sich in Duisburg die demografischen Perspektiven des 21. Jahrhunderts beobachten. Das reizte den britischen Architekten Norman Foster, der kürzlich seinen Masterplan für die Stadt vorstellte. Foster will die verödete Innenstadt innerhalb von drei Jahrzehnten in einen "blühenden Lebensraum" verwandeln, in dem die Einwohnerzahl um ein Viertel höher sein soll als heute. Die Folge dieser Verdichtung im Innern: Duisburg muss an seinen industriellen Rändern schrumpfen, damit sich dort keine Ghettos bilden.

Doch die Grenzen des Wachstums sind überschritten, der hemmungslose Verschleiß an Landschaft ist in Zeiten des demografischen Wandels zum zivilisatorischen Irrsinn geworden. Auch angesichts des Verkehrsinfarktes auf Autobahnen und explodierender Ölpreise wächst der Druck, den Wucherungen von Pendler-Vororten an der Peripherie Einhalt zu gebieten.

Bis 2050 wird die Abrissbirne zum zentralen Element der Stadtplanung werden, prognostizieren Wissenschaftler. Alte Industriebrachen, Straßen, Siedlungen, sogar ganze Stadtteile werden im Verlauf des 21. Jahrhunderts der Natur zurückgegeben.

Die NRW-Landesregierung reagiert jetzt erstmals zaghaft auf die Epochenwende: Um den Flächenverbrauch zu bremsen, hat das Umweltministerium das Landesplanungsgesetz geändert: Künftig soll der Bebauung von Brachen in den Innenstädten Vorrang eingeräumt werden. Zugleich dürfen Einzelhandelsriesen nicht mehr auf der Grünen Wiese entstehen.