Ölkonzern brüskiert das Weiße Haus
Katastrophe: BP stellt für Stunden die Arbeiten am Bohrloch ein, ohne dies mitzuteilen.
Washington. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko nimmt immer größere Dimensionen an. Nach dem wegen erster Erfolge bei der Operation "Top Kill", mit der das Bohrloch gestopft werden sollte, vorsichtiger Optimismus aufgekommen war, zeichnen Experten nun wieder ein düsteres Szenario. Unter anderem könne die in wenigen Tagen beginnende Hurrikan-Saison dazu führen, dass sich der Ölteppich weiter ausbreitet und selbst weite Teile der Karibik erfasst und bis zur Atlantikküste hochgespült wird.
Im Weißen Haus hingegen liegen derweil die Nerven blank. Präsident Barack Obama reagierte fassungslos auf die Nachricht, dass der Ölkonzern BP "Top Kill" ohne Vorankündigung 16Stunden lang unterbrochen hatte. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, die sprudelnde Ölquelle am Meeresboden zum Versiegen zu bringen, hatte Thad Allen, der Chef der US-Küstenwache, am Donnerstagabend noch von einem "gewissen Erfolg" gesprochen. Gewaltige Schlamm-Massen, die über ein Sicherheitsventil ins Bohrloch gepumpt wurden, hatten den Ölstrom zumindest vorübergehend bremsen können.
Auf die Erfolgsmeldung folgte aber prompt eine Hiobsbotschaft, die schnell in ein PR-Desaster ausartete. Während Obama bei einer Pressekonferenz die Hoffnung äußerte, dass die Operation "Top Kill" dem Umweltdesaster ein Ende setzen könnte, war die Notaktion bereits unterbrochen worden, um neues Material heranzuschaffen. Darüber aber war das Weiße Haus nicht informiert worden.
Während ein Regierungssprecher über die "katastrophale Kommunikation durch BP" schimpfte, räumte Obama ein, gegenüber der Ölindustrie "zu gutgläubig" gewesen zu sein. Er habe nicht nur die engen Beziehungen zwischen BP und anderen Multis zu den Aufsichtsbehörden unterschätzt, sondern auch deren Fähigkeit, ein Desaster dieses Ausmaßes in den Griff zu bekommen.
Für BP könnte dies Konsequenzen haben. Obama plant nämlich, dem Unternehmen zunehmend die Verantwortung für die Aufräumungsarbeiten zu entziehen und arbeitet nach Angaben aus Regierungskreisen an einer Strategie, unter Einbindung anderer Konzerne und Expertenteams aus Partnerländern das Ruder an sich zu reißen. Für Ernüchterung sorgte auch die Nachricht, dass die austretende Ölmenge deutlich über den bisherigen Schätzungen liegt.
Während es zunächst hieß, dass maximal 800000 Liter pro Tag in den Golf strömen, bestätigten BP sowie die Küstenwache nun, dass die Zahl bei fast 3,5Millionen Liter liegen könnte und bisher fast 150 Millionen Liter in die Gewässer vor der Küste von Louisiana flossen - etwas mehr als nach der Exxon-Valdez- Katastrophe vor 21 Jahren.