Andreas B. – Das einstige Crash-Kid erzählt aus seinem heutigen Leben
Kriminalität: Der WDR zeichnet in einer Dokumentation die kriminelle Karriere nach – Selbstdarstellung oder Mahnung an die Gesellschaft?
Monheim/Leverkusen. Seinen ersten Lkw stahl Andreas B. mit 13 Jahren, um zu seiner Mutter zu fahren. Das machte ihn über Nacht zum Medienstar. "Ich dachte: Klasse! Klauste noch einen", blickt der 24-jährige Serienstraftäter heute zurück - wieder ist eine Kamera auf ihn gerichtet. So wie damals in den Niederlanden, als Fernsehleute seine Verfolgungsjagd mit der Polizei von einer Autobahnbrücke aus filmten. Am Ende fuhr der damals 14-Jährige den Lkw in eine Polizeisperre. Ein Beamter starb.
Am Donnerstagabend lief im WDR-Fernsehen die Dokumentation "Das Leben vor die Wand gefahren? Wie Crash-Kid Andi erwachsen wurde." Der Film zeigt Andreas B., wie er heute lebt. Der gebürtige Monheimer wohnt jetzt in Leverkusen, hat Frau und Kind. Doch in der Normalität ist er nicht angekommen, auch wenn er vor der Kamera den Eindruck erwecken will.
Fast acht Jahre seines Lebens hat der Sohn eines Lkw-Fahrers hinter Gittern verbracht. Nun droht wieder das Gefängnis. B. ist auf Bewährung draußen, trotzdem soll er wieder ohne Führerschein Auto gefahren sein und einen vermeintlichen Nebenbuhler mit einem Warndreieck zusammengeschlagen haben. Ein Jahr und neun Monate Haft stehen im Raum, Andi B. ging in Berufung. Unwahrscheinlich, dass er eine zweite Chance bekommt. Mit 16 vergewaltigte der schwer erziehbare Junge einen Mithäftling, mit 20 Jahren nahm er an einem bewaffneten Raub teil.
Der Film verschweigt das alles nicht. Doch derjenige, der die Geschehnisse reflektiert, ist ausschließlich Andreas B. Und der kann zu keinem Zeitpunkt als reumütiger Sünder überzeugen. Bei einem Besuch in seiner ehemaligen Justizvollzugsanstalt fragt ihn ein Beamter: "Haste noch immer nicht gemacht? Da mal einen Brief hingeschickt?" Der 24-Jährige weiß, dass der Polizist auf die Witwe des getöteten Polizisten anspielt. Er schüttelt den Kopf und sagt leise: "Fehlt der Mumm."
Die Reaktionen im WDR-Internetforum der Sendereihe "Menschen hautnah", in der der Film lief, sind größtenteils kritisch. Viele haben das Gefühl, dass einem Kriminellen ein Forum zur Selbstdarstellung geboten wurde. Die Redaktion teilte mit: "Der Film wirft die Frage auf, was Gesellschaft und Staat tun können, um eine solche Entwicklung - und letztlich eine solche Tat - zu verhindern. Dies gelingt nur, wenn man analysiert, wie ein Täter zum Täter wird."
Die Bilder zeigen Andreas B. mit seiner Tochter auf dem Arm, bei seiner Hochzeit und hinterm Steuer eines Rennwagens. Stellt Autor Jochen Klöck einfach nur einen Menschen dar oder hilft er ihm bei der Selbstdarstellung?
Hans Delcuve ist Leiter eines evangelischen Kinderheims in Hilden - eine der Stationen aus Andreas B’s Jugend. Auch er sieht das kritische Potenzial des Films. Trotzdem findet Delcuve das Werk gelungen. Der Sozialpädagoge: "Der Film dokumentiert die Ohnmacht unseres Systems." Seine Hoffnung sei, dass man aus dieser Geschichte am Ende "irgendeine Lehre" ziehen kann.