Olympiasieger Matthias Steiner: „Ich will die Wahrheit wissen“

Die Frau von Gewichtheber Matthias Steiner ist 2007 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Am Mittwoch soll das Urteil gegen den Fahrer fallen.

Heidelberg. Es war der emotionalste Moment der Olympischen Spiele in Peking. Am 19. August steht Gewichtheber Matthias Steiner ganz oben auf dem Siegertreppchen. Soeben ist der 26-Jährige Olympiasieger geworden und aus Freude darüber wie ein kleiner Junge auf dem Podest herumgehüpft.

Nun baumelt die Goldmedaille um seinen Hals. In der Hand hält der 145-Kilo-Mann ein Foto und küsst es immer wieder. Darauf zu sehen ist seine Ehefrau Susann, die am 16. Juli 2007 bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. "Dieses Gold widme ich Susann", sagt Steiner später.

Am Mittwoch wird vor dem Amtsgericht in Heidelberg voraussichtlich das Urteil gegen den Mann gesprochen, der für Susann Steiners Tod verantwortlich sein soll.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fahrlässige Tötung vor und fordert eine einjährige Bewährungsstrafe. Zudem soll er seinen Führerschein für sechs Monate abgeben. Steiners Anwalt Oliver Oeser rechnet mit einer Bewährungs- oder Geldstrafe.

Wieder wird Matthias Steiner dem Angeklagten Franz G. in die Augen schauen - wie schon beim Prozessauftakt am 12. November. Schwarz gekleidet saß der Gewichtheber vor drei Wochen im kühlen Gerichtssaal 2.

Um ihn herum etliche Kamerateams, Fotografen und Journalisten. Neben ihm sein Anwalt und zwei Gutachter.

Der 26-Jährige wirkte nervös, knetete seine Hände. Er hätte als Nebenkläger nicht anwesend sein müssen, aber er wollte es unbedingt. Der Grund: "Für mich ist es wichtig, die Wahrheit zu kennen. Bisher weiß ich nur, was geschehen ist, aber ich weiß nicht, warum."

Im Juli 2007 war Susann Steiner bei einem Frontalzusammenstoß auf einer Bundesstraße bei Heidelberg gestorben. Die 22-Jährige war in ihrem Nissan Micra auf dem Weg nach Leimen, als ein Jeep auf ihre Fahrbahn geriet und in den Kleinwagen raste.

"Der Jeep tauchte wie aus dem Nichts auf", schilderte ein Unfallzeuge, dessen Auto knapp verfehlt worden war. Susann Steiner musste von der Feuerwehr aus dem Kleinwagen befreit werden. Sie starb etwa sieben Stunden später an den Folgen schwerer innerer Verletzungen an Milz, Leber und Lunge.

Der Fahrer des Jeeps, ein 57-jähriger, schmächtiger, grauhaariger Lagerist, schweigt zum Unfallhergang. Sein Mandant könne sich nicht erinnern, sagte sein Verteidiger.

Er habe im Moment des Unglücks unter einer "Bewusstseinsstörung durch Unterzuckerung" gelitten. Das Gericht hörte hierzu Zeugen, Ärzte, Sachverständige. "Alle Ergebnisse waren unauffällig", hieß es in der Aussage der Hausärztin von Franz G.

Als auch der Notarzt aussagte, es habe keinen Hinweis für eine Unterzuckerung gegeben, meldete sich Matthias Steiner zu Wort. Er wollte wissen, ob der Jeep-Fahrer krankheitsbedingt für zwei oder drei Sekunden nicht bei Bewusstsein gewesen sei. Der Arzt antwortete: "Nein."

Staatsanwalt Steinbacher sieht als Ursachen für den Unfall einen "groben Fahrfehler" und überhöhte Geschwindigkeit. Der technische Gutachter legte dar, dass der Jeep-Fahrer mit einer "hektischen Lenkbewegung" sein Auto auf die Gegenfahrbahn gebracht haben muss.

Nach Auffassung des Rechtsmediziners könnte Susann Steiner noch leben, wenn der Angeklagte langsamer gefahren wäre. Der 57-Jährige fuhr 85 Kilometer in der Stunde, wo 70 erlaubt sind. "Bei 70 Stundenkilometern wäre der Unfallverlauf ungleich günstiger gewesen", sagte der Rechtsmediziner.

Matthias Steiners Hoffnung auf eine schlüssige Erklärung hat sich nicht erfüllt - vielleicht wird dieser Wunsch am Mittwoch wahr.