Porträt: Rosenberg wird zur Dietrich

München. Mit Schlagern wie „Er gehört zu mir“ wurde Marianne Rosenberg in den 70ern berühmt. Nun kehrt sie mit einer großen Jazz-Revue auf die Bühne zurück.

München. Auf dem Cover ihrer neuen CD "I’m a Woman" sieht Marianne Rosenberg aus wie Marlene Dietrich. Mit bleichem Gesicht, hohen, dünnen Augenbrauen, gekleidet in Anzug, Krawatte und Schlapphut, schaut die Sängerin lasziv in die Kamera. "Ich spiele gern mit Rollen. Hier entwerfe ich ein Bild, das zur Musik passt", sagt Rosenberg zu der Pose.

Tatsächlich sind auf dem Album Klänge von vor über 60 Jahren zu hören. Lieder, die aus den Revuetheatern Unter den Linden stammen könnten, wechseln mit Swingnummern, die an das frühe Hollywood erinnern. Frech "balinert" die Interpretin wie eine Göre von einem Weddinger Hinterhof.

Mal wieder eine neue Marianne Rosenberg, möchte man sagen. Etliche Rollen hat die Sängerin schon im Laufe ihrer Karriere besetzt. "Leben bedeutet permanenten Wechsel", meint Rosenberg. Alle ihre künstlerischen Phasen, versichert sie, hätten zu ihr gepasst. "Auch in den Siebzigern war ich Überzeugungstäterin." Natürlich habe sie den frühen Ruhm genossen.

Die Hinwendung zu der damaligen Protestbewegung am Ende ihrer Schlagerkarriere interpretiert Rosenberg als verspätete Pubertät. Schließlich war sie bereits mit 14 Jahren berufstätig. Im Scheinwerferlicht der Schlagerparaden war kein Platz für Rebellion.

Als 20-Jährige aber wollte sie kein Lied mehr singen über ein Mädchen, das sich nach dem Märchenprinzen verzehrt. Der Abschied von "Fremder Mann" war für sie ein Akt der Emanzipation.

Aber warum jetzt Jazz? "Es war die erste Musik, die ich auf dem Plattenspieler meines Vaters gehört habe - als Fünfjährige." Otto Rosenberg, Vorstandsmitglied des Verbandes deutscher Sinti und Roma, war begeisterter Jazzfan.

Schließlich war der europäische Jazz von Beginn an verbunden mit der Musik des Gitarristen Django Reinhardt, dem führenden Vertreter des Gypsy-Swings. Jazz ist also fester Bestandteil der Familientradition im Hause Rosenberg gewesen.

Aber auch inhaltlich findet die Musikerin ihre Hinwendung zu dem für sie neuen Genre naheliegend. In den 20er Jahren sei noch nicht so strikt zwischen Jazz und Schlager getrennt worden, erklärt sie. Ihre musikalische Rückbesinnung auf das Berlin der Goldenen 20er sei auf jeden Fall keine modische Attitüde.

Sie sieht sich einfach besser aufgehoben in der Nähe der Weltbürgerin Caterina Valente und der Soul-Legende Barry White als bei denjenigen, die von schwarzbraunen Haselnüssen singen.

Ein dunkler Schatten mag bei alledem eine Rolle spielen: Das Leiden ihres Vaters im Konzentrationslager unter den Nazis. "Selbstverständlich betrachtet das Kind eines Auschwitz-Überlebenden die Welt anders", meint Marianne Rosenberg.

Ob sie so früh auf die Bühne gehen musste, um dem Leid des Vaters etwas entgegen zu setzen? Da wird die sonst sprudelnd Erzählende einsilbig: "Mein Vater war sehr stolz auf mich."

Leider kann er seine Tochter nicht mehr in der Rolle der großen Dietrich, dieser couragierten "Vaterlandsverräterin" erleben. Otto Rosenberg starb 2001 im Alter von 78Jahren in Berlin.