Klage Streit um verkaufsoffene Sonntage
Gewerkschaften und Kirchen kämpfen für arbeitsfreie Tage. Immer häufiger müssen Gerichte entscheiden. Mittwoch wurde Wuppertal ausgebremst. In Münster gibt es einen Bürgerentscheid.
Münster. Sonntags auch mal durch die Läden bummeln können oder lieber doch den Verkäufern ihre Freizeit gönnen? Ausgerechnet im katholischen Münster ist die Frage des heiligen Sonntags derart zu einem Politikum hochgekocht, dass am 6. November die Bürger über den verkaufsoffenen Sonntag entscheiden sollen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat Mittwoch die geplanten verkaufsoffenen Sonntage in Wuppertal am 6. November verboten. Was steckt eigentlich hinter dem Streit?
Gewerkschaften und Kirchen kämpfen Seite an Seite: Als Tag für Familie und Freizeit wollen sie den Sonntag als zuverlässig arbeitsfrei schützen. Außerdem könnten große Ketten einen verkaufsoffenen Sonntag leichter stemmen als ein familiengeführter Betrieb. „Verkaufsoffene Sonntage stärken damit die Konzentration großer Ketten“, sagt Verdi-NRW-Sprecher Günter Isemeyer. Schließlich könne jeder Euro nur einmal ausgegeben werden. Und: Wer immer mehr Ausnahmen für den Handel mache, raube sich die Argumente, in anderen Branchen Sonntagsarbeit zu verbieten.
Es freut Kommunen und ihre Marketingabteilungen, wenn sonntägliches Shopping Besucher in die Stadt lockt, die vielleicht sonst nicht kämen. Aus Sicht des Handelsverbandes NRW ist ein gelegentlich verkaufsoffener Sonntag für kleine wie größere Läden eine Möglichkeit, in einer entspannten Atmosphäre ihre Stärken auszuspielen — gerade in Zeiten 24 Stunden verfügbarer Online-Stores. Shoppen sei für viele Menschen eine geschätzte Freizeitgestaltung — eben auch manchmal sonntags, wie dies im benachbarten Ausland gang und gäbe sei, sagt Michael Radau, Präsident des Handelsverbandes NRW.
Grundsätzlich gilt sonntags ein Arbeitsverbot für alle, deren Tätigkeit verzichtbar ist. Das umfasst auch Gewerbetreibende mit stundenweiser Ausnahme von Kiosken, Bäckereien oder Bauernhofläden. Außerdem gewährt das Ladenöffnungsgesetz jährlich höchstens vier verkaufsoffene Sonntage pro Stadtteil, elf über größere Stadtgebiete verteilt. Voraussetzung ist allerdings, dass es einen Anlass gibt — etwa ein Stadtfest oder eine Messe.
Jahr für Jahr entscheiden die Stadträte, wann die Ausnahmeregelung greifen soll, und legen die Termine fest. Doch zunehmend macht Verdi mobil gegen die befürchtete Aushöhlung der Ausnahmeregelung — etwa im Münsterland, in Köln, Wuppertal, Velbert, Wülfrath oder Siegen. Knackpunkt ist die Frage, was als Rechtfertigung genügt. Die Gewerkschaft kritisiert, dass in vielen Fällen der Wunsch, sonntags ein Geschäft zu machen, dazu führe, dass ein Anlass erst geschaffen werde. So reiche es nicht, ein paar Buden aufzustellen, um einen verkaufsoffenen Sonntag anlässlich eines Weihnachtsmarktes genehmigen zu lassen, sagt Verdi-Mann Isemeyer. In vielen Fällen geht Verdi gerichtlich gegen solche Anlässe vor.
Allein der Verdi-Bezirk Münster strengte fünf Verfahren an — und bekam fünfmal Rückendeckung. Unter Berufung auf Bundesrecht kippten auch Nordrhein-Westfalens oberste Verwaltungsrichter jüngst geplante verkaufsoffene Sonntage. Das Argument: Die als Anlass dienende Veranstaltung muss mehr Menschen anlocken als der Shopping-Anreiz.
Das passierte Mittwoch auch der Stadt Wuppertal: Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat den geplanten verkaufsoffenen Sonntag in der Bergischen Metropole gestoppt. Die Geschäfte dürfen am 6. November nicht geöffnet werden, ordnete das Gericht in einem Eil-Beschluss (Az.: 3 L 3605/16) an. Die Stadt habe nicht ausreichend dargelegt, warum die verfassungsrechtlich geschützte Sonntagsruhe an diesem Tag eine untergeordnete Rolle spielen soll. Das Gericht folgte damit einem Antrag der Gewerkschaft Verdi.
Die Läden sollten am kommenden Sonntag in den Wuppertaler Stadtteilen Barmen, Elberfeld und Vohwinkel geöffnet sein. In Barmen und Elberfeld gibt es von morgen bis Sonntag Herbstmärkte mit Buden, die trotzdem stattfinden sollen. Auch in Vohwinkel soll das Fest stattfinden; „Wir wollen unsere Kunden nicht noch mehr enttäuschen“, sagt Annette Rabe von der IG Vohwinkel, wo am Sonntag Martinsfest gefeiert wird. Ursprünglich war ein Schwebebahnfest geplant — das wurde aber abgesagt, weil sich der Start der neuen Schwebebahn verzögert. Gegen den Beschluss ist die Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster möglich. Auch für den 4. Dezember habe Verdi ein Verbot des Sonntagsverkaufs in Wuppertal beantragt, sagte eine Gerichtssprecherin. Darüber habe das Gericht allerdings noch nicht befunden.
Ähnliches war jüngst in Velbert passiert: Ein in dem Stadtteil Neviges stattfindendes Kinderfest reiche nicht, um die offenen Läden zu rechtfertigen, lautete das Urteil. Am Freitag vor den Feierlichkeiten hatte ein Eilantrag der Gewerkschaft das Sonntagsshopping gestoppt und für viel Kritik seitens der Händlerschaft gesorgt. Das Problem: Ein unzureichender Grund für einen verkaufsoffenen Sonntag kann ausreichen, um die komplette städtische Satzung zu kippen und so allen Shoppinganlässen die Grundlage zu entziehen. So machte sich auch in Wülfrath nach einem weiteren Verdi-Eilantrag Unsicherheit breit. Der verkaufsoffene Sonntag zum Weihnachtsmarkt sollte abgesagt werden, obwohl dieser ein größeres Publikum anlockt. Erst nach Gesprächen mit Verdi wurde der Antrag zurückgezogen.
Der Handelsverband fürchtet, dass eine so scharfe Rechtsprechung verkaufsoffene Sonntage auf Dauer unmöglich machen könne. „Das Gesetz gewährt uns ohnehin nur eine begrenzte Anzahl von verkaufsoffenen Sonntagen. Welche Termine dafür sinnvoll sind, das müssen wir frei festlegen können“, sagt Radau. Welche Motivation ein Kunde habe, sonntags eine Stadt zu besuchen — die offenen Läden oder ein bestimmtes Veranstaltungsprogramm — lasse sich ohnehin nicht ermitteln. In Münster sind am 6. November die Bürger aufgerufen, ihr Urteil zu fällen. Entschieden wird zwar über lokale Einzelfälle — gibt es jedoch genug Stimmabgaben, dürfte von dem Votum aber eine Signalwirkung ausgehen.