Studie: Anzug macht 50 Jahre älter
Nils Fallack (27) testet, ob ältere Menschen im Flughafen Düsseldorf zurechtkommen.
Düsseldorf. Der Mann sieht aus, als wollte er eine Bombe entschärfen: roter Overall mit allerlei Taschen, ein Helm mit gelb eingefärbtem Visier, dazu dicke Handschuhe und Ohrenschützer. Er zieht einen karierten Reisekoffer durch die Abflughalle des Düsseldorfer Flughafens. "Was ist denn hier los?", will selbst ein Beamter von der Bundespolizei wissen. Die vielen Reisenden trauen sich erst gar nicht zu fragen. Sie blicken dem Mann mit dem Koffer nur hinterher auf seiner Tour vom Info-Punkt über den Check-In-Schalter bis hin zur Snack-Bar.
In dem roten Anzug steckt Nils Fallack, ein Student aus Wernigerode im Harz. Der 27-Jährige trägt einen "Age Explorer (Alters-Erforscher)" der die Beschwerlichkeiten des Alters zwischen 70 und 77 Jahren hervorruft: getrübter Blick und dumpfes Gehör, durch zusätzliche Gewichte schwer bewegliche Gelenke an Beinen, Armen und Fingern. Für seine Bachelor-Arbeit im Fach Tourismusmanagement untersucht Fallack, wie gut oder schlecht Senioren auf dem Flughafen zurechtkommen. "Dieser Test ist der Einstieg für uns, mit dem Thema ,Senioren’ anders umzugehen", sagt Eckhard Mischke von der Flughafen Düsseldorf GmbH.
In dem Test drückt sich ein Trend aus: Immer mehr Unternehmen entdecken ältere Menschen als Zielgruppe. Die Zukunft nämlich, heißt es aus dem Statistischen Bundesamt, gehört vor allem ihnen. Die über 60-Jährigen stellen schon jetzt ein Viertel der Bevölkerung, im Jahr 2030 sollen sie mindestens ein Drittel ausmachen. Hinzu kommt, dass die momentan ins Rentenalter hineinwachsende Nachkriegsgeneration wohl zu den vermögendsten aller Zeiten gehören wird. Vom "Goldenen Marktsegment" ist unter Managern die Rede.
Als Reaktion darauf haben sie die Worte "alt" und "Senior" aus ihrer Sprache verdammt. Auf Geheiß von Marketingstrategen wählen Unternehmen lieber freundliche Formulierungen wie "Happy Enders", "Best Ager" und "reife Kunden". Doch allein mit dem Schönreden lassen sich keine Käufer gewinnen. Dienstleister wie Händler wollen auch auf die Probleme reagieren, die ein gealterter Körper mit sich bringt.
Deshalb erforschen Händler und Dienstleister immer mehr, wo es bei ihren Angeboten für Ältere hakt - durch Umfragen oder auf eigene Faust. So sollen in dem vom Institut Meyer-Hentschel entwickelten Anzug mittlerweile mehrere tausend Geschäftsleute und deren Mitarbeiter durch Supermarktgänge und Kundenhallen gelaufen sein. Mit zum Teil für die Anbieter erschreckenden Erkenntnissen: Die Beleuchtung reicht für den getrübten Blick nicht aus, Preisauszeichnungen und Informationen sind zu klein geschrieben, der Weg vom Obst zur Milch ist zu lang und deshalb zu beschwerlich für Ältere. Fehlende Sitzmöglichkeiten machen den Einkauf zur Belastungsprobe.
Mit rutschfesten Böden, Lupen an den Regalen und Knöpfen alle paar Meter, mit denen Mitarbeiter gerufen werden können, hat eine Einzelhandelskette in Deutschland bereits mehrere "Supermärkte der Generationen" eröffnet. Und auch die Hersteller sind aktiv geworden und bieten vielerlei Seniorengerechtes an - vom Computer mit größerer Tastatur über Handys mit eigener Notruftaste bis hin zu Lebensmittelverpackungen, die auch mit nachgelassener Kraft noch leicht zu öffnen sind.
Flughafen Der demografische Wandel beschäftigt auch den Flughafen Düsseldorf. "Bereits jetzt können wir eine grundlegende Veränderung in der Altersstruktur unserer Fluggäste erkennen", sagt Eckhard Mische von der Betreiber-Gesellschaft. "Die stärkste Altersgruppe unter unseren Passagieren sind die 50- bis 65-Jährigen mit einem Anteil von 28 Prozent. Acht Prozent unserer Fluggäste sind über 65 Jahre alt. Der Trend wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken."