Sucht-Risiko Computerspiele: Jeder sechste Junge in Gefahr

In der bislang größten deutschen Jugendstudie zeigen Forscher die Gefährlichkeit von Gewaltspielen und fordern höhere Altersgrenzen.

Düsseldorf. Die Zahlen wirken gerade vor dem Hintergrund des Amoklaufs von Winnenden alarmierend: Fast jeder sechste 15-jährige Junge (15,8 Prozent) verbringt täglich mehr als 4,5 Stunden mit Computer-Spielen - und gilt damit als stark suchtgefährdet. Drei Prozent der männlichen Neuntklässler sind bereits abhängig. Das ist das Ergebnis einer gestern vorgelegten Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KfN). Das Institut hatte bundesweit 44 610 Jugendliche im Alter von 15Jahren über ihren Umgang mit Computerspielen befragt.

"Ein Schwerpunkt der Untersuchung betraf die Frage, inwieweit die Nutzung bestimmter Spiele das Risiko für eine Computer-Abhängigkeit in besonderer Weise erhöht", erläutert KfN-Direktor Professor Christian Pfeiffer. Dabei ergaben sich nach Angaben der Forscher insbesondere für Spieler des Online-Rollenspiels "World of Warcraft" (= Welt der Kriegskunst) "auffällig erhöhte Werte".

Weltweit mehr als 11,5Millionen Spieler aller Alterklassen sind bei dem Fantasy-Spiel registriert. Für die deutsche Altersgruppe der 14- bis 16-Jährigen ermittelten die Forscher: "Jeder Fünfte der WoW-Spieler ist entweder als abhängig (8,5 Prozent) oder in diesem Sinne als gefährdet (11,6 Prozent) einzustufen."

Die besondere Suchtgefahr von Online-Rollenspielen wie "World of Warcraft" oder auch "Guildwars" sehen die KfN-Forscher in den zahlreichen darin enthaltenen Glücksspiel-Elementen sowie einer Spielstruktur, die "Bonuspunkte für jede Stunde gemeinsam verbrachter Spielzeit" vergibt.

Als Konsequenz aus der Studie fordert Pfeiffer, die Altersgrenze für das Spiel von derzeit zwölf auf 18 Jahre anzuheben: "Mit der bisherigen Einstufung verbreitet der Staat gegenwärtig an die Eltern von 12- bis 18-Jährigen eine Botschaft, die aus unserer Sicht nicht mehr verantwortbar ist."

Viele Eltern wüssten nicht, was in den Kinderzimmern passiert, in die sich der Nachwuchs stundenlang zum Spielen zurückzieht. Meist zeigen ihnen erst die sozialen Folgen, dass ihre Kinder mutmaßlich Computerspiel-süchtig sind: Sie isolieren sich sozial, schwänzen die Schule, ihre Schulleistungen lassen rapide nach, sie schlafen schlecht. Hinzu kommt: "12,3 Prozent der Abhängigen haben schon häufig über Selbstmord nachgedacht", berichtet Pfeiffer.

Der Wissenschaftler hofft deshalb, dass die Studie dafür einen Anstoß gibt, Computerspielsucht künftig als Krankheit anzuerkennen. Bislang nämlich müssen sich Abhängige unter der Diagnose Depression behandeln lassen, damit die Krankenkassen die Behandlung zahlen.