Gedenken an die Opfer von Solingen Deutschsein lernen

Meinung · Was die Mädchen und Frauen der Familie Genç am 29. Mai 1993 in ihren letzten Minuten durchlebt haben, kann niemand nachempfinden. Umso größer wirkt Mevlüde Genç, die trotzdem, trotz des Verlustes ihrer Kinder zu einem friedlichen Miteinander aufrief.

BMS - Redakteur Stefan Vetter in Berlin am 10.03.2015. [foto : k r o h n f o t o . d e k r o h n f o t o . d e Mathias Krohn Reichsstrasse 46 14052 B E R L I N Tel : 030 - 887 293 86 Fax : 030 - 887 273 87 Handy : 0175 - 7223000 Mail : mathias.krohn@t-online.de Bank : SANTANDER Blz : 50033300 Kto : 260 857 1601 BIC : SCFBDE33XXX IBAN : DE18500333002608571601 Finanzamt B E R L I N/W I L M E R S D O R F Steuernummer : 13 / 404 / 60687 7%Mwst.]

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An sie und an die fünf Todesopfer hat Nordrhein-Westfalen am Montag, am Jahrestag des Schwerverbrechens, erinnert. Und fortan erinnert in Solingen ein Platz an diese beeindruckende Frau, die im vergangenen Jahr gestorben ist.

Was in der Nacht des 29. Mai 1993 geschehen ist, haben Polizei und Justiz aufgeklärt. Die deutschen Brandstifter sind verurteilt. Sie sind und bleiben Täter. Sie sind nicht Opfer irgendwelcher Umstände. Dass Tat und Strafmaß in einem Verhältnis stehen sollen, ist Kern des deutschen Rechtssystems. Die Gesellschaft hat damit auch auf die Gerichtsbarkeit von Nazi-Deutschland reagiert, in der Hass und Ideologie viel zu oft das Strafmaß mitbestimmten. Es ist gut, dass heute anders Recht gesprochen wird. Doch auch 30 Jahre nach der Tat beschleichen den Beobachter Zweifel daran, dass die Verhältnismäßigkeit von Tat und Strafe in diesem Verfahren überhaupt je hätte gewahrt werden können.

Immer noch laboriert die Gesellschaft an dem, was der Familie Genç angetan worden ist. Hass, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit sind Alltag in Deutschland. Vielleicht ist es an der Zeit, eine Debatte über Deutschsein zu führen. Vielleicht braucht es Staatsbürgerkunde, um auch den letzten „Biodeutschen“ zu lehren, dass es viele Gründe gibt, stolz auf dieses Land zu sein, dass Deutschland jedoch auch eine sehr dunkle Geschichte hat. Eine Geschichte, aus der sich das Land unter Schmerzen, aber mit Disziplin und Eifer als erfolgreiche Demokratie beispielhaft in die Mitte der Weltgesellschaft gekämpft hat. Das ist deutsch. Und dieses Deutschsein ist besser als der dumpfe Nationalismus, dem beispielsweise die AfD mit zunehmendem Erfolg das Wort redet. Modernes, selbstbewusstes Deutschsein lässt das Fremde zu, das in aller Regel mit der Zeit vertraut wird. Und mit dem Wissen aus 90 Jahren seit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ist es lernbar.