Analyse: Ein Krieg hinter vorgehaltener Hand
Die USA fordern von Europa, mehr Truppen nach Afghanistan zu schicken.
Brüssel. Noch nie waren so viele Soldaten aus Nato-Staaten im Kampfeinsatz in Afghanistan. Aber das war kein Grund für Zufriedenheit beim Treffen der Verteidigungsminister der Nato am Freitag in Brüssel. Acht Jahre nach Kriegsbeginn gegen die radikal-islamischen Taliban stimmten US-Verteidigungsminister Robert Gates und Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer die Bürger auf mehr Kämpfe und mehr Tote ein. Weil es nun mehr Soldaten gebe, gebe es auch „intensivere Kampfhandlungen“.
Nicht einmal die Tatsache, dass die USA unter Präsident Barack Obama den Militäreinsatz in Afghanistan dramatisch verstärkt haben, war Grund zu eitel Freude. Bis zum Herbst werden mehr als doppelt so viele US-Soldaten in Afghanistan kämpfen – nur zum Teil unter Nato-Flagge – wie noch zu Jahresbeginn: 68 000 statt 31 000.
Auch die Nato-Afghanistantruppe Isaf insgesamt hat sich gigantisch vergrößert: Von 6000 Mann beispielsweise im Jahr 2004 auf mittlerweile 61 000 Mann. 32 000 davon sind Europäer und Kanadier. Insgesamt hat vor allem der Einsatz der USA überproportional zugenommen.
„Wir müssen eine Situation vermeiden, in der der Einsatz politisch ungleichgewichtig wird“, warnte Nato-Sprecher James Appathurai. „Wir müssen sicherstellen, dass es ein Gleichgewicht in den Beiträgen zum Einsatz gibt. Wenn wir ein Ungleichgewicht haben, dann ist das politisch schwieriger durchzuhalten.“
Das bedeutet: Nicht die USA sollen weniger, die Europäer müssen mehr tun. Und die Angst, der Isaf-Einsatz in Afghanistan könne zunehmend als eine US-Veranstaltung gesehen werden und deswegen sowohl in Afghanistan als auch in Europa neue Kritik auf sich ziehen, trieb auch Gates zu ungewöhnlich lobenden Worten über die Europäer.
„Ich finde, dass unsere Partner einen unglaublichen Beitrag in diesem Kampf leisten“, lobte Gates. „Die Bedeutung ist größer als die Zahlen erscheinen lassen. Denn das Ganze ist größer als die Summe des Einzelnen.“ Schließlich sei der europäische Beitrag innerhalb eines Jahres von 22 000 auf 32 000 Soldaten gestiegen. Und dass er seinem deutschen Kollegen Franz Josef Jung versicherte, die USA wollten „keine Dominanz“ beim Afghanistan-Einsatz, bedeutet vor diesem Hintergrund vor allem, dass jeder zusätzliche Beitrag der Europäer herzlich willkommen ist.