Mit dem Fußball aus dem Elend

Projekt: Die Kinder im Township Mamelodi sind im WM-Fieber. Mit deutscher Hilfe werden sie von der Straße geholt.

Pretoria. Tag für Tag legt Joseph zwei Stunden Fußweg zurück. 60 Minuten zur Schule, die gleiche Zeit am Nachmittag wieder zurück. Der 15-Jährige lebt in Mamelodi, einem Township im Osten der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria. Mamelodi bedeutet soviel wie "Mutter der Melodien". Doch die notdürftig zusammengezimmerten Baracken, die Blechhütten und ungepflasterten Straßen wollen so gar nicht zu dem wohlklingenden Namen passen.

Mamelodi gehört nicht nur zu den am dichtesten besiedelten Regionen Pretorias, sondern auch zu den ärmsten. Bis zu 80Prozent der Erwachsenen sind ungebildet, die Arbeitslosenquote liegt bei 55 Prozent. Kriminalität, Aids, Alkoholmissbrauch, Drogen, Obdachlosigkeit, Verwaisung - all das ist Alltag. Viele Kinder wachsen so wie Joseph nur mit einem Elternteil auf. Die Väter machen sich aus dem Staub, die Mütter sorgen für den spärlichen Lebensunterhalt.

Wie viele Kinder in den Townships träumt Joseph davon, ein großer Fußballstar zu werden, so wie seine Vorbilder aus dem Nationalteam "Bafana Bafana" (wörtlich: Jungs, Jungs). "Wir werden Weltmeister. Keine Frage", sagt Joseph mit Nachdruck.

In einem Jahr findet in Johannesburg der Anstoß zur ersten Fußball-WM auf dem schwarzen Kontinent statt. Und nirgendwo sonst zählen die Menschen den Countdown so fieberhaft herunter wie in den Townships. Während der Apartheid war Fußball in Südafrika der Sport der Schwarzen, während sich die Weißen für Rugby oder Kricket begeisterten. So ist das Kicken auf den staubigen Straßen auch heute noch ein typisches Bild in den Armenvierteln.

Joseph besucht die Mahlasedi Masani Primary School in Mamelodi. Hier hat die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ein 20 mal 40 Meter großes Straßenfußball-Spielfeld errichtet - den "streetsoccer pitch".

Deutschland bringt seine Erfahrungen aus der WM 2006 ein. Ein Projekt ist dabei die "Mobilisierung und Entwicklung Jugendlicher durch Fußball".

"Wir wollen die WM und die Fußballbegeisterung der Kinder nutzen, um sie von der Straße zu holen", sagt Gert Potgieter. Der 72-Jährige ist Projektpartner - und ein südafrikanisches Idol. In den 50er Jahren gehörte der ehemalige Leichtathlet zur Weltspitze über 400 Meter Hürden. Nun hat er die Sportart gewechselt.

"Wenn du über Fußball redest, hören dir die Kinder zu", schwärmt Potgieter. Doch die Eltern hätten kein Geld, ihren Nachwuchs in Vereine zu schicken. "Der Unterricht endet um 14 Uhr. Danach sind die Kinder bis in den Abend allein. Aus Langeweile sind sie dann anfällig für Gewalt."

Fußball als Mittel, die hohe Verbrechensrate in den Townships zu reduzieren? Da setzt das GTZ-Projekt an. Auf dem schuleigenen "streetsoccer pitch" geht’s für die 1850 Schüler indes nicht nur um erzielte Tore. Die 48Lehrer der Mahlasedi-Masani-Schule, Fachleute, aber auch junge Deutsche, die über das BMZ-Programm "weltwärts" mehrere Monate einen Freiwilligendienst absolvieren, haben sich hohe Ziele gesteckt. Gewaltprävention und gesundheitliche Aufklärung gehören ebenso dazu wie das Erlernen von Fairness und Teamfähigkeit.

Damit der sportliche Gedanke nicht zu kurz kommt, bauen acht Schulen in Mamelodi eine Schulliga auf. Da will auch Joseph dabei sein. Er träumt schon einmal vom zweiten "Street-Soccer-Worldcup", der parallel zur Fußball- WM im Johannesburger Township Alexandra ausgetragen wird.