Analyse: Haiti wartet noch auf den Neuanfang
Nach dem schweren Erdbeben leben 1,5 Millionen Menschen in Notunterkünften.
Port-au-Prince. Katastrophen sind meist schnell vergessen. Vier Monate nach dem Erdbeben mit 220 000 Toten in Haiti ist es in der deutschen Öffentlichkeit ruhiger geworden um den in Trümmern liegenden Karibikstaat. Doch für die Menschen dort hat sich die Lage kaum gebessert. Nun will sich Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) über die Lage in dem Krisenstaat informieren - und so auch der Kritik entgegentreten, Deutschland engagiere sich zu wenig.
Die Regenzeit ist in Haiti angebrochen, die Wassermassen verwandeln den Boden in Schlamm und Abwasserrinnen in stinkende Bäche. Für die 1,5Millionen Menschen, die noch immer in Notunterkünften leben, eine elende Situation. Von dem bei der UN-Geberkonferenz Ende März in New York beschworenen Neuanfang ist noch nicht viel zu spüren.
Am Freitag bricht Niebel auf zu seiner ersten, sieben Tage dauernden Karibik- und Mittelamerikareise - nach Haiti folgen die Dominikanische Republik und Guatemala. In Haiti will Niebel auch sehen, was mit dem deutschen Geld passiert. Zum Beispiel errichtet die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im Auftrag des Ministeriums für sieben Millionen Euro Fertighäuser. 1400 Familien sollen so bis Ende 2010 ein Dach über dem Kopf bekommen.
Hilfsorganisationen hatten wiederholt das deutsche Engagement für Haiti als zu gering kritisiert. Zur Geberkonferenz, auf der die internationale Staatengemeinschaft knapp zehn Milliarden Dollar für Haiti zugesagt hatte, schickte Niebel seinen Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz, Deutschland steuerte 53 Millionen Dollar bei. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die USA, Frankreich oder Spanien andere historische Verbindungen zu dem Land haben, das auf Hispaniola liegt, wo Kolumbus 1492 Amerika entdeckte.
In der Hauptstadt Port-au-Prince wird Niebel auch mit Präsident René Préval sprechen. Er betont, es gehe vor allem darum, dass die zugesagten Gelder auch angesichts der bevorstehenden Hurrikan- und Regenzeit schnell, effizient und transparent eingesetzt werden.
Doch Hilfsorganisationen warnen: Wer jetzt nach Haiti reist, darf keine schnellen Erfolge erwarten. "Es passiert zwar etwas", sagt Michael Kühn von der Welthungerhilfe, "aber es passiert sehr langsam". All die Probleme, von denen jetzt in den Medien die Rede ist - Armut und Hunger, fehlende Infrastruktur - habe es vorher auch schon gegeben.