Analyse: Netzneutralität - Das Überholverbot im Netz
Derzeit gilt gleiches Recht für alle Anbieter. Ein Aus hätte Folgen für die Nutzer.
Berlin. Netzneutralität, das klingt sehr sperrig. Dahinter verbirgt sich aber ein Prinzip, dessen Abschaffung für alle Internet-Nutzer Konsequenzen hätte.
Ob YouTube-Video oder Nachrichten von Spiegel Online, ob "World of Warcraft" oder "BitTorrent": Neutrale Netze leiten alle Inhalte durch, ohne nach der Herkunft der Datenpakete zu fragen.
Die Netzbetreiber, darunter vor allem die großen Telekommunikationsunternehmen, kontrollieren nicht, welche Inhalte unterwegs sind. Ebenso wenig bremsen sie bestimmte Daten aus - etwa Filme aus Tauschbörsen, die oft mehrere Gigabyte groß sind.
Befürworter sehen in neutralen Netzen eine Voraussetzung für den Wettbewerb - und der dient dem Verbraucher. Das wird an einem Negativ-Szenario deutlich: Was wäre etwa, wenn ein Provider mit einem Online-Kaufhaus kooperiert und dessen Konkurrenten ausbremst? Oder wenn nur eine Suchmaschine zugelassen wäre?
Außerdem gilt das Prinzip als Garant für Innovationen. Weil die Kosten für ein digitales Kaufhaus, Blog oder Web-2.0-Portal vergleichsweise niedrig sind, versuchen Jahr für Jahr tausende Unternehmer ihr Glück. Viele scheitern, einige schaffen es. Auch heutige Größen wie Google, Amazon und Facebook fingen klein an.
Der Verkehr auf der Datenautobahn wächst durch Videos, Internet-TV und das Telefonieren im Netz (VoIP) rasant - so sehr, dass es ohne Regulierung bald einen Mega-Stau geben könnte. Schon heute betreiben Telekom, Vodafone und andere daher ein Netzwerkmanagement, um die verfügbare Bandbreite sinnvoll zu nutzen.
Vor allem die Netzbetreiber fordern eine Abkehr vom Prinzip in seiner Reinform. Ihr Argument: Wer die Leitungen besonders stark in Anspruch nimmt, soll auch mehr zahlen. Bei der Deutschen Telekom und dem spanischen Pendant Telefónica ist etwa zu hören, dass sie beispielsweise den Internet-Giganten Google gerne zur Kasse bitten würden.
Darüber hinaus böten sich ihnen neue Geschäftsmodelle, etwa durch differenzierte Tarife: Nutzer, die große Datenmengen saugen, zahlen mehr als Gelegenheitssurfer.
Nein, gerade die Mobilfunknetze sind alles andere als offen. So blockieren etliche Anbieter den Dienst Skype oder verlangen dafür einen Zuschlag - die Software für Internet-Telefonie schadet dem eigenen Geschäftsmodell.