Hiroshima: Um 8.15 Uhr begann das Grauen

Vor 65 Jahren warfen US-Militärs die erste Atombombe ab.

Hiroshima. Es ist ein schwüler Morgen, als sich Sunao Tsuboi auf den Weg zur Universität macht. Plötzlich ein Blitz. Die Wucht einer gewaltigen Explosion reißt den 20-jährigen Japaner meterweit über den Boden. Es ist 8.15 Uhr.

"Ich fand mich auf einem Bürgersteig wieder, von Kopf bis zu den Zehen verbrannt", erinnert sich der heute 85-Jährige. Nach mehrstündigem Flug von der kleinen Insel Tinian 2500 Kilometer südöstlich Japans hatte der US-Bomber "Enola Gay" die Atombombe mit dem harmlosen Namen "Little Boy" 580 Meter über dem Zentrum Hiroshimas abgeworfen.

Innerhalb von Sekunden macht eine Druck- und Hitzewelle von mindestens 6000 Grad die Stadt zu einer lodernen Hölle. Von den 350 000 Bewohner sterben auf einen Schlag mehr als 70000 Menschen; Ende Dezember 1945 liegt die Zahl schon bei 140 000.

Drei Tage nach dem 6. August zünden die Amerikaner über Nagasaki eine zweite Atombombe. Bis Dezember 1945 sterben dort 70 000 Menschen. Die genaue Opferzahl wird sich nie ermitteln lassen, weil viele erst an den Spätfolgen der Strahlung sterben.

Die USA sollten zugeben, dass sie "einen großen Fehler begangen haben", sagt Tokiko Kato. Die Sängerin wirkte mit an einem Dokumentarfilm über die beiden Abwürfe. Die USA hätten die Atombomben nicht deswegen abgeworfen, "weil sie keine andere Wahl hatten", den Zweiten Weltkrieg zu beenden, sondern weil sie die Bomben ausprobieren wollten.

Immerhin nimmt nun am 65. Jahrestag mit dem US-Botschafter in Japan, John Roos, erstmals auch ein Vertreter der USA an der Gedenkveranstaltung in Hiroshima teil.

Die Geschichte der Atombomben ist in Japan unvermeidlich durch die Opferperspektive bestimmt. Dass Hiroshima eine "gerechte Strafe" für Japans Aggressionskrieg war, akzeptieren nur wenige. Japan habe zwar Unrecht begangen. Trotzdem seien die Atombomben Verbrechen an unschuldigen Zivilisten gewesen.

Zwar verkündete Kaiser Hirohito kurz nach dem Inferno am 15. August Japans Kapitulation. Das Land hättte sich nach Auffassung von Historikern jedoch so oder so ergeben. Sunao Tsuboi hatte von Japans Kapitulation zunächst nichts erfahren, da er 40 Tage lang im Koma lag. Heute setzt er sich für die Abschaffung von Atomwaffen ein.