Analyse: Olmerts Rückzug stürzt Israel in ein Vakuum

In Tel Aviv werden die Karten neu gemischt. Die Zukunft des Nahen Ostens ist ungewisser denn je.

Tel Aviv. Nach der dramatischen Rückzugsankündigung des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert erscheint die Zukunft in Nahost noch ungewisser. Israel und die Palästinenser betonten am Donnerstag zwar, sie wollten sich weiter um eine Friedensregelung bis Jahresende bemühen.

Doch die weitere Entwicklung in der Region hängt ganz davon ab, wer bei den partei-internen Kadima-Wahlen am 17. September zum neuen Vorsitzenden gekürt wird und ob er oder sie eine neue Regierung bilden können.

Der rechtsorientierte Oppositionsführer Benjamin Netanjahu, der bei möglichen Neuwahlen des Parlaments als aussichtsreichster Kandidat gilt, scharrt bereits mit den Hufen. Meinungsumfragen sagen seiner Likud-Partei, die bei den letzten Wahlen am 28.März 2006 erhebliche Verluste hinnehmen musste, im Falle von Neuwahlen einen großen Zuwachs an Mandaten voraus.

Außenministerin Zipi Liwni (50) und der 1948 geborene Transportminister Schaul Mofas sind die führenden Kandidaten von Kadima im Rennen um den Parteivorsitz und das Amt des Ministerpräsidenten.

Sollte Liwni gewinnen, müsste sich die Leiterin des Verhandlungsteams bei den Gesprächen mit den Palästinensern binnen vier Wochen um die Bildung einer neuen Koalition bemühen, mit einer möglichen Verlängerung von zwei Wochen. Dies dürfte ihr nicht leicht fallen, Netanjahus Likud hat ein solches Bündnis bereits ausgeschlossen.

Die strengreligiöse Schas-Partei, nach der Arbeitspartei zweitgrößter Koalitionspartner von Kadima, lehnt Liwini ab - wegen ihres Geschlechts sowie ihrer Weigerung, das Kindergeld zu erhöhen.

Sollte Mofas gewinnen, hätte er wohl bessere Chancen auf die Bildung einer Koalition mit den rechtsorientierten Parteien. Die Palästinenser dürfte ein Sieg des ehemaligen Verteidigungsministers, der als Rechtsaußen in seiner Partei gilt, dagegen überhaupt nicht glücklich machen.

Sollte der neue Parteivorsitzende bei seinen Bemühungen um eine Regierungsbildung scheitern, müssten binnen 90 Tagen Neuwahlen stattfinden.

Auf diese Weise könnte Olmert bis Anfang Februar am Ruder bleiben und hätte noch Zeit, eine Friedensvereinbarung mit den Palästinensern auszuhandeln. Seine Kritiker würden ihn aber vermutlich noch härter angreifen und seine Berechtigung, schicksalhafte Entscheidungen zu treffen, infrage stellen.