Geschichte: Der Parteiausschluss hat in der SPD Tradition
Der Rauswurf von Karl Liebknecht, Wolfgang Abendroth oder Klaus Ernst ist der Partei am Ende aber gar nicht gut bekommen.
Düsseldorf. Der Parteiausschluss hat in der SPD eine lange Tradition, und es sind durchaus respektable Namen unter denen, die sich plötzlich aus der heimeligen Wärme des SPD-Ortsvereins ausgestoßen fühlen mussten. In der Regel aber ist der Ausschluss eher der Partei schlecht bekommen.
Prominentestes und wohl in seiner geschichtlichen Bedeutung gravierendstes Beispiel ist Karl Liebknecht. Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete, dessen Taufpaten einst in der Leipziger Thomaskirche Marx und Engels waren, stimmte im Dezember 1914 als einziger SPD-Abgeordneter gegen die Kriegskredite.
Im Jahr 1916 waren es unter Liebknechts Führung schon 20 SPD-Reichstagsabgeordnete, die gegen erneute Kriegskredite stimmten. Die Parteiführung, die mit dem Kaiserreich ihren "Burgfrieden" geschlossen hatte, warf Liebknecht und seine Genossen darauf hinaus.
Die Führung verteidigte einen Krieg, der schon verloren war, viele Mitglieder gingen von allein, darunter Eduard Bernstein, der sich plötzlich mit Rosa Luxemburg und Liebknecht in der USPD, der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, wiederfand.
Die USPD hatte bald mehr Mitglieder als die SPD, aus ihrer Mitte wiederum ging über den Spartakusbund die von Luxemburg und Liebknecht gegründete KPD hervor. Nach der Ermordung der beiden Parteiführer trat die USPD der Dritten Internationale bei - die KPD war zur Massenpartei geworden, die deutsche Arbeiterbewegung auf Dauer verhängnisvoll gespalten.
Auch das Godesberger Programm der SPD von 1959 forderte ihre Opfer. Das prominenteste war Wolfgang Abendroth. Der Hochschullehrer und Sozialist, 1906 in Elberfeld geboren, wurde vom Parteivorstand 1961 ausgeschlossen, weil er den Rechtsschwenk von Godesberg kritisierte und den per Unvereinbarkeitsbeschluss geächteten SPD-Studentenverband SDS weiter unterstützte.
Abendroth und die unter ihrem Chef Otto Brenner ebenfalls in Opposition zu Godesberg stehende IG Metall unterstützten und finanzierten in den 60er Jahren den SDS, der als Gegenleistung wiederum die Schulung der IG-Metall-Funktionäre übernahm. Der SDS wurde die Kernzelle der Studentenbewegung und der APO. Und das veränderte die Republik.
Eher eine Episode blieb 1977 der Parteiausschluss des damaligen Juso-Vorsitzenden Klaus-Uwe Benneter. Treibende Kraft war Egon Bahr. Grund war die von Benneter vertretene "Stamokap"-Theorie. Nachfolger als Juso-Chef wurde ausgerechnet Benneters Freund Gerhard Schröder, der Benneter dann auch wenige Jahre später zurückholte und 2004 sogar zum SPD-Generalsekretär machte.
Innerhalb weniger Wochen hatte im Jahr 2004 der Schweinfurter IG-Metall-Bevollmächtige und SPD-Genosse Klaus Ernst viele tausend Unterschriften in der SPD gegen die Schrödersche Agenda-Politik gesammelt. Auf Antrag der Parteispitze flogen darauf Ernst und seine Genossen aus der SPD.
Sie gründeten die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG), vermasselten Schröder die Bundestagswahl 2005 gründlich und fusionierten inzwischen mit der PDS zur Linken, nach Umfragen derzeit drittstärkste Partei. Ernst ist Vize-Chef der Linken und sitzt im Bundestag. Auf die historischen Verknüpfungen verweist ein kleines Detail: Der Verein WASG lebt seit Dezember 2007 weiter als Bildungseinrichtung. Sie heißt - "Wolfgang-Abendroth-Stiftung".
Die meisten dieser Parteiausschlüsse vollzogen sich fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit, hatten aber zeithistorische Bedeutung von großer Sprengkraft. Der angestrebte Rauswurf Wolfgang Clements dagegen vollzieht sich unter riesigem publizistischem Getöse. Und bleibt tatsächlich wohl am Ende nichts als eine Fußnote in der langen Geschichte der SPD.