Analyse: Ungemütlicher dritter Advent im Kanzleramt

Am Sonntag streitet Merkel mit Carstensen über die Steuerpolitik. Eine schnelle Einigung ist unwahrscheinlich.

Berlin. Das erste Gesetz der schwarz-gelben Koalition hat ein Politik-Schauspiel der besonderen Art ausgelöst. Die im Eilverfahren durchgedrückten und von Experten verrissenen Steuerpläne drohen an den Regierungsparteien zu scheitern. Nicht die Opposition macht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Leben schwer, sondern CDU-Ministerpräsidenten und die mitregierende FDP. Dazu soll es ein Krisentreffen morgen im Kanzleramt mit der schwarz-gelben Koalitionsspitze aus Kiel geben. Einen Durchbruch erwartet niemand.

Der Steuerstreit mit den Ländern ist der erste Test für die Reformvorhaben der schwarz-gelben Koalition in den nächsten vier Jahren. Bei den meisten Projekten ist die Regierung auf Länder und Kommunen angewiesen. Deshalb geben sich Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) öffentlich hart. Sie wollen sich die Zustimmung der Länder für das umstrittene 8,5-Milliarden-Paket nicht mit Zugeständnissen "erkaufen". Sollte es schon beim ersten Mal Extrawürste für einzelne Ministerpräsidenten geben - Merkel würde Sonderwünsche der Länder nicht mehr los.

Doch die widerborstigen Landespolitiker lassen nicht locker. Bei dem Treffen Merkels mit Schleswig-Holsteins Regierungschef Peter Harry Carstensen, FDP-Chef Guido Westerwelle und dem Kieler FDP-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki am Sonntag wird es kaum Ergebnisse geben, schon um andere Länder nicht zu brüskieren.

Carstensen hat sich bislang am lautesten gegen Steuersenkungen gesperrt. Er hatte als einziger Ministerpräsident in keinem CDU- Gremium den im Koalitionsvertrag vereinbarten Steuerentlastungen zugestimmt. Er fehlte schlicht bei den Sitzungen. Er lässt sich also nicht vorwerfen, im Stillen erst mit "Ja" gestimmt zu haben und dann laut dagegen zu poltern. Carstensen plädiert schlicht auf Notwehr.

Sein hoch verschuldetes Land könne die Steuerausfälle nicht verkraften. Der Bund sieht hingegen keine Zusatzlasten für Kiel. Laut Finanzministerium führen die Steuerpläne zwar zu Mindereinnahmen in der Landeskasse von 50 Millionen Euro. Dem stünden aber genauso hohe Mehreinnahmen aus der jüngsten Steuerschätzung nach dem Finanzausgleich gegenüber. Schleswig-Holstein ist empört: "Eine Phantomrechnung" sei das, heißt es.