Analyse: Vertriebene treiben Koalition in Sackgasse
Die Personalie Erika Steinbach spaltet Union und FDP. Eine Lösung ist derzeit nicht in Sicht.
Berlin. Erika Steinbach lässt sich nicht so schnell vertreiben. Die Opposition fordert den Rückzug der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, die nach dem Willen ihres Verbandes einen Posten im Beirat des Zentrums gegen Vertreibungen erhalten soll. Der neuen schwarz-gelben Koalition hat die Debatte um die 66-Jährige längst den ersten großen Konflikt beschert.
Eine besinnliche Vorweihnachtszeit wird es für Union und FDP wohl allein schon wegen des Streitfalls Steinbach nicht werden. Während die Vertriebenen-Präsidentin über ihre Berufung von einem "Demokratie-Test" redet, weiß Kanzlerin Angela Merkel (CDU): Es wird auch ein Test für sie und die Koalition.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Steinbach weiß, dass Merkel hinter ihr steht. Zumindest als CDU-Chefin. Das hat Merkel nach der Kabinettsklausur in Meseberg noch einmal klar gesagt - im Beisein von Guido Westerwelle (FDP), der Steinbach nicht im Beirat sehen will, weil die Vertriebenen-Funktionärin in Polen auf großen Widerstand stößt.
Steinbach wird im Nachbarland vor allem abgelehnt, weil sie früher Gegnerin der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zwischen Deutschland und Polen war. Wie Merkel als Kanzlerin entscheidet, ist offen.
Es geht längst nicht mehr nur um eine Personalie für den Beirat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung", die eine Art Lebenswerk von Steinbach ist. Es geht ums Prinzip. Der Bund der Vertriebenen darf in den Stiftungsrat drei von 13 Vertretern entsenden. Einer der drei Sitze ist unbesetzt, doch klar ist: Der Verband will Steinbach. Die selbstbestimmte Besetzung ist sein festgeschriebenes Recht. Der Haken ist, dass die Koalition das letzte Wort in der Sache hat.
Einig sind sich Merkel und Westerwelle nur, dass das Kabinett noch nicht entscheidet. Denn der Bund der Vertriebenen hat Steinbach für den Sitz nominiert, aber die Entscheidung noch nicht formal angemeldet. Erika Steinbach setzt ihre Parteifreundin unter Druck. Sie stellt der Bundesregierung ein Ultimatum. Bis über die Weihnachtstage soll sie eine Lösung finden. Die Regierung wiederum wartet auf die Vertriebenen. Eine Sackgasse, aus der bisher kein Weg hinausführt.
Union und Liberale beziehen inzwischen offen Stellung gegeneinander. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) betont: Es sei nicht Sache einer Partei, dem Bund der Vertriebenen Vorschriften zu machen, wen er nominieren wolle oder nicht. Für die Opposition ist der Fall Steinbach ein gefundenes Fressen. SPD-Vize Olaf Scholz spricht von einer "peinlichen Hängepartie".
In der Union heißt es, eine Lösung sei denkbar, wenn es von der FDP Bewegung gäbe. Das scheint unrealistisch. Es sei denn, aus Polen käme eine Äußerung, die den Konflikt entschärfen könnte. In Polen aber ist es ruhig: Weder der Deutschlandbeauftragte der polnischen Regierung, Wladyslaw Bartoszewski, noch der polnische Oppositionsführer, Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski, wollen sich zu Steinbach äußern.