Angeblicher Merkel-Vorstoß: „Endspiel“ für Griechenland

Angeblicher Merkel-Vorstoß sorgt für Empörung. Rating-Agentur stuft Athen herab.

Athen. Die Nachricht schlug am Freitagabend in Athen wie eine Bombe ein: Kanzlerin Angela Merkel habe ein Referendum zum Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone vorgeschlagen. Das scharfe Dementi der Bundesregierung in Berlin konnte das Wutgeheul in Athen nicht mehr aufhalten.

„Erpressung“, riefen die Kommunisten. „Traumhaft! Frau Merkel flankt den Ball direkt auf den Kopf unseres Mittelstürmers. Sie bläst volle Kraft in unsere Segel, damit wir erste Partei werden“, sagte ein hoher Funktionär der Linksradikalen. „Merkel spricht, als wäre Griechenland ein Protektorat“, sagte der Chef des Bündnisses der Radikalen Linken, Alexis Tsipras, in einer Erklärung. Noch schlimmer reagierten die rechtsorientierten Unabhängigen Griechen. „Wenn Frau Merkel ein Referendum will, dann soll sie selbst eins in Deutschland machen“, erklärte ihr Parteichef Panos Kammenos. Merkel hatte am Freitag mit dem griechischen Präsidenten Karolos Papoulias telefoniert.

Bei der Nea Dimokratia (ND) wurden die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Empört war auch Parteichef Antonis Samaras. Der Vorschlag Merkels sei eine „falsche Nachricht im falschen Moment“. Parteifunktionäre konnten es nicht fassen: „Das darf nicht wahr sein. Eine solche grobe Intervention haben wir seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt“, sagte ein hoher Funktionär der ND.

Unter den Sozialisten herrschte Fassungslosigkeit. Es könne nicht sein, dass Merkel jetzt ein Referendum zum Euro vorschlägt. Denn noch im November vergangenen Jahres, als dies der damalige sozialistische Ministerpräsident Giorgos Papandreou vorschlug, sei dieser so unter Druck gesetzt worden, dass er gehen musste.

Derweil ist kein Ende der Hiobsbotschaften für Athen in Sicht: Die Rating-Agentur Fitch stufte das Land erneut herab. Erstmals bestätigte zudem ein Mitglied der EU-Kommission, dass es Notfallszenarien für den Fall eines Euro-Austritts des hoch verschuldeten Landes gibt.

EU-Handelskommissar Karel De Gucht warnte in einem Interview: „Das Endspiel hat begonnen, und ich weiß nicht, wie es ausgehen wird.“ Ein Sprecher der EU-Kommission verneinte anschließend prompt, dass an Ausstiegsszenarien gearbeitet werde.

Die Gefahr der Ansteckung anderer Euroländer wie Spanien und Italien schätzt De Gucht als verkraftbar ein: „Vor eineinhalb Jahren mag die Gefahr eines Domino-Effekts bestanden haben.“ Er fügte hinzu: „Aber nun arbeiten Abteilungen in der Europäischen Zentralbank und in der Europäischen Kommission an Notfall-Szenarien für den Fall, dass es Griechenland nicht schafft.“ Einzelheiten wollte er nicht nennen.

Hauptaufgabe der Interimsregierung unter Ministerpräsident Panagiotis Pikrammenos ist derweil die Vorbereitung der Neuwahl am 17. Juni. Einer Umfrage zufolge können die Parteien, die am Sparkurs festhalten wollen, mit einer Mehrheit rechnen. Allerdings werden auch die Radikalen Linken mehr Stimmen bekommen. Dieses Bündnis will zwar ebenfalls in der Eurozone bleiben, aber das mit den Geldgebern vereinbarte Sparpaket einseitig aufkündigen.