China will Wachstum und Inflation bremsen

Peking (dpa) - Mit einer Warnung vor sozialen Unruhen hat Chinas Regierungschef Wen Jiabao zum verstärkten Kampf gegen Inflation aufgerufen.

„Das Problem berührt das Wohlergehen der Menschen, betrifft die Gesamtlage und beeinträchtigt die soziale Stabilität“, mahnte der Ministerpräsident am Samstag in Peking vor dem Volkskongress. Die Stabilisierung der Preise müsse „höchste Priorität“ haben. Auch will der Regierungschef das rasante Wachstum in diesem Jahr auf „rund acht Prozent“ drosseln, um die Wirtschaft nachhaltiger zu machen und weniger Rohstoffe zu verschwenden.

Mit einem massiven Aufgebot von Sicherheitskräften wurden am dritten Sonntag in Folge „Jasmin-Proteste“ nach dem Vorbild in der arabischen Welt sofort im Keim erstickt. Bei einer Aktion von etwa hundert Menschen am Sonntag in Shanghai wurde wieder mehr als ein Dutzend ausländische Journalisten vorübergehend von der Polizei festgesetzt, darunter ein „Stern“-Reporter. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nannte die Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten „nicht akzeptabel“. China müsse die freie Berichterstattung für deutsche und ausländische Journalisten gewährleisten.

Zum Auftakt des Volkskongresses kam es am Samstag zu zwei Protestaktionen am Rande des Tian'anmen-Platzes. Vier Demonstranten wurden festgenommen. „Die Kommunistische Partei muss abtreten“, forderte ein Mann auf einem Schild, wie ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur dpa berichtete. Außerdem versuchte ein Mann, sich durch Polizeisperren zu drängen. Eine Frau versuchte, Flugblätter zu verteilen. Die Polizei hielt einen dpa-Reporter fest, der zufällig Augenzeuge wurde. Er musste seine Fotos von der Aktion löschen.

In seinem Rechenschaftsbericht vor den rund 3000 Delegierten des Volkskongresses räumte Wen Jiabao Probleme wie die wachsende Einkommensschere, Inflation, „exorbitante Wohnungspreise“, „illegale Landenteignungen“ und „weit verbreitete Korruption in einigen Gebieten“ ein. „Wir sind uns genau bewusst, dass wir weiter ernste Probleme haben, weil unsere Entwicklung noch nicht ausgewogen, koordiniert und nachhaltig ist.“ Da China mit dem starken Wachstum von 10,3 Prozent im Vorjahr exzessiv Rohstoffe verbraucht, die Umwelt verschmutzt und Überkapazitäten erzeugt hat, will er das Tempo drosseln.

Im Fünf-Jahres-Plan werden bis 2015 nur noch sieben Prozent Wachstum jährlich angestrebt. Experten gehen aber davon aus, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft trotzdem deutlich stärker wachsen wird. Schon im alten Plan (2006-2010) waren nur 7,5 Prozent geplant, am Ende aber 11 Prozent jährlich erreicht worden. „Unser Hauptziel ist, ein gutes Umfeld für die Transformation der Mechanismen der wirtschaftlichen Entwicklung zu schaffen“, sagte Wen Jiabao.

Den Anstieg der Verbraucherpreise will er nach 3,3 Prozent im Vorjahr bei 4 Prozent halten. Experten rechnen im ersten Halbjahr aber mit fünf bis sechs Prozent. Die Nahrungsmittelpreise kletterten im Januar sogar um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat - nach 7,2 Prozent im ganzen Vorjahr. Mit dem neuen Fünf-Jahres-Plan soll die Umstrukturierung beschleunigt werden. China will nicht mehr so stark vom Export abhängig sein, sondern seinen heimischen Konsum ankurbeln sowie den Dienstleistungssektor und die soziale Sicherung ausbauen.

Der Energieverbrauch für jeden erwirtschafteten Yuan soll bis Ende 2015 um 16 Prozent gesenkt werden. Der größte Klimasünder der Welt will den Ausstoß an Kohlendioxid gemessen an der Wirtschaftsleistung um 17 Prozent verringern. In absoluten Zahlen wird die Produktion von Treibhausgasen wegen des starken Wachstums aber weiter ansteigen.