EU bereitet Libyen-Einsatz vor

Tripolis/Paris/Luxemburg (dpa) - Obwohl es nach UN-Angaben derzeit gar keinen Bedarf gibt, bereitet sich die EU auf einen Militäreinsatz zur Absicherung humanitärer Hilfe in Libyen vor.

Bei einem Treffen in Luxemburg beschlossen die EU-Außenminister am Dienstag, entsprechende Vorbereitungen voranzutreiben. Vor allem in der seit Wochen von den Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi belagerten Stadt Misurata ist die Versorgungslage kritisch. Vorsorglich drohte Gaddafi deshalb jedem mit Gewalt, der sich der Rebellenstadt „unter einem humanitären Vorwand“ nähere.

Unterdessen wird Kritik am Nato-Einsatz laut. Es gebe zu wenig Luftangriffe auf die Truppen Gaddafis, sagte der französische Außenminister Alain Juppé am Dienstag dem Sender France Info. Die Nato, die das Kommando über den Einsatz vor zehn Tagen übernommen hatte, mache den Job „nicht ausreichend“. Als Beispiel nannte Juppé die Lage in Misurata.

Auch der britische Außenminister William Hague forderte in Luxemburg ein verstärktes Engagement der Nato. „Eine große Menge ist erreicht worden, aber es gibt noch mehr zu tun“, sagte er. „Wir müssen unsere Anstrengungen in der Nato fortsetzen und intensivieren.“

Die Nato wies Juppés Vorwürfe zurück. „Ich denke, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln einen Klassejob machen“, sagte der niederländische General Mark van Uhm in Brüssel. Pro Tag würden rund 150 Einsätze geflogen, von denen 40 Prozent Kampfeinsätze seien.

Um Misurata tobten nach Angaben der Aufständischen auch am Dienstag wieder heftige Gefechte. Die von den Rebellen beherrschte Stadt östlich der Hauptstadt Tripolis wird seit Wochen von Gaddafi-treuen Truppen belagert. Es gibt weder Strom noch frisches Trinkwasser.

Das Gaddafi-Regime kündigte an, nur dem Roten Kreuz und dem Roten Halbmond zu gestatten, in Misurata humanitäre Hilfe zu leisten. Man habe der EU und dem Weltsicherheitsrat mitgeteilt, dass bewaffnete Zivilisten Widerstand gegen jeden leisten würden, der versuche, sich der Stadt unter falschem Vorwand zu nähern, meldete die Regierungsagentur Jana.

Trotz der fehlenden Anforderung durch das UN-Büro für humanitäre Hilfe beschlossen die EU-Außenminister, die Vorbereitungen für einen Einsatz von Soldaten zur Absicherung humanitärer Hilfe voranzutreiben. „Bisher sagen sie, dass es keinen Bedarf gibt“, erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Die EU müsse aber für den Fall gewappnet sein, dass sie doch noch um Hilfe gebeten werde. Auch Deutschland würde sich an einem solchen Hilfseinsatz beteiligen.

Die EU-Außenminister erklärten, die Libyen-Krise könne dauerhaft nur auf politischem Wege gelöst werden. „Wir werden keine militärische Lösung in Libyen sehen, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Sondern wir brauchen eine politische Lösung“, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle in Luxemburg.

Die Rebellenregierung in Bengasi forderte von den Staaten Europas mehr Unterstützung im Kampf gegen Gaddafi. „Wir haben jetzt 10 000 Tote durch Gaddafis Soldaten, 20 000 Vermisste und 30 000 Verletzte. Wir möchten mehr Anstrengungen zum Schutz von Zivilisten gegen diese Aggression“, sagte ihr Sprecher Ali Al Issawi vor Journalisten. Nach Angaben von Diplomaten bat die Übergangsregierung vor allem um finanzielle Hilfe der EU.

Die EU-Außenminister beschlossen bei ihrem Treffen auch eine Verschärfung der Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime. Konten von 26 weiteren libyschen Unternehmen sollen eingefroren werden. Außerdem dürfen EU-Firmen keine Geschäfte mehr mit ihnen machen. „Wir haben damit de facto ein Öl- und Gasembargo verhängt“, sagte Westerwelle.

Im Osten Libyens drangen die Rebellen am Dienstag nach eigenen Angaben von Adschdabija aus rund 40 Kilometer in Richtung Westen vor. Das libysche Staatsfernsehen meldete Luftangriffe der Alliierten auf eine Straßensperre außerhalb der Ortschaft Kikla, rund 150 Kilometer südwestlich von Tripolis. Dort seien mehrere Polizisten und Zivilisten ums Leben gekommen.

Zwei Wochen nach ihrer Gründung wollte die internationale Libyen-Kontaktgruppe am Mittwoch in Doha zu einer ersten Arbeitssitzung zusammenkommen. An dem Treffen sollte auch der vor zwei Wochen nach London geflüchtete frühere libysche Außenminister Mussa Kussa teilnehmen. Während die Nato die Anwesendheit des ehemaligen Gaddafi-Vertrauten als Teil ihres ganzheitlichen Ansatzes im Bemühen um eine Lösung im Libyen-Konflikt bezeichnete, lehnen Teile der Aufständischen dies ab.

„Man kann ihm nicht trauen“, warnte die Gruppe Schabab Libya, in der vor allem junge Oppositionelle organisiert sind, im Internet-Kurznachrichtendienst Twitter. „Mussa Kussa hat Blut an seinen Händen und wird dafür verantwortlich gemacht werden.“ Man kaufe ihm seine Lossagung von Gaddafi nicht ab.

Zuvor hatte Kussa im BBC-Fernsehen vor einem langwierigen Bürgerkrieg in seinem Land gewarnt. Libyen drohe, ein „neues Somalia“ zu werden, sagte er. Die Einheit Libyens sei für jede Art von Einigung „grundlegend“. Eine Lösung müsse von den Libyern selbst kommen - durch Diskussionen und demokratischen Dialog.

Die Aufständischen hatten am Montag einen Libyen-Friedensplan der Afrikanischen Union abgelehnt, weil darin nicht der Machtverzicht und die Ausreise der Gaddafi-Familie vorgesehen ist.

Die Libyen-Kontaktgruppe will sich auch um den Aufbau der künftigen politischen Ordnung in dem nordafrikanischen Land kümmern. Insgesamt sind in der Gruppe etwa 40 Nationen sowie internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, die Nato und die Arabische Liga vertreten. Auch Bundesaußenminister Westerwelle wollte an dem Treffen am Mittwoch teilnehmen.