Neue Proteste in arabischer Welt: 27 Tote in Libyen
Manama/Tripolis/Washington (dpa) - Trotz Panzern und Polizeigewalt lässt sich die Demokratie-Bewegung in der arabischen Welt nicht einschüchtern. In Libyen gingen am Freitag erneut zahlreiche Regimegegner auf die Straße.
Die Proteste wurden gewaltsam unterdrückt, mindestens 27 Menschen getötet, wie aus Oppositionellen-Kreisen verlautete.
Staatschef Muammar al-Gaddafi schickte seine Söhne in die Zentren der Proteste nach Bengasi und Al-Baidha. Im Königreich Bahrain, wo am Freitag vier getötete Demonstranten zu Grabe getragen wurden, protestierten erneut Tausende gegen die politische Führung des Golfstaates. Auf dem Lulu-Platz im Zentrum Manamas sollen Soldaten neue Proteste verhindern. Bahrain ist strategisch wichtig für die USA: Manama ist ein enger Verbündeter Amerikas in der Golfregion und Hauptquartier der 5. US-Flotte.
Im Jemen forderten Demonstranten den achten Tag in Folge den Rücktritt des Präsidenten Ali Abdullah Salih. Bei den Protesten wurden vier Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt. Zwei Menschen starben, als in der südlichen Hafenstadt Aden Sicherheitskräfte gegen Demonstranten vorgingen. Zwei Menschen kamen in der südlichen Stadt Taiz ums Leben, als ein Mann aus seinem Fahrzeug eine Handgranate in eine Gruppe von Regierungsgegnern warf.
Bei den Protesten gegen Libyens Staatschef Gaddafi sollen in der zweitgrößten Stadt Bengasi allein am Freitag 25 Menschen getötet worden sein. Polizei und Mitglieder der gaddafitreuen Volkskomitees seien mit Gewalt gegen Oppositionelle vorgegangen.
In der Stadt Al-Baidha sollen seit Donnerstag nach unbestätigten Augenzeugenberichten mehr als 30 Menschen ums Leben gekommen sein, darunter auch mehrere Soldaten. Die Armee-Brigade von Gaddafis Sohn Chamies habe damit begonnen, die Demonstranten dort zu vertreiben. Sie ist laut einer Depesche der US-Botschaft vom Dezember 2009 die am besten ausgebildete und ausgerüstete Einheit der libyschen Streitkräfte.
Auf Amateurvideos, die von libyschen Demonstranten ins Netz gestellt wurden, waren die Leichen mehrerer junger Männer zu sehen. Andere Aufnahmen zeigten hunderte Demonstranten, die in der Mittelmeerstadt Tobruk ein Denkmal für das von Gaddafi verfasste „Grüne Buch“ niederrissen, in dem der Revolutionsführer einst sein politisches Programm formuliert hatte.
Oberst Gaddafi ließ sich in der Nacht zum Freitag von Anhängern in Tripolis feiern. Auf dem zentralen Grünen Platz nahm er gegen 3.00 Uhr ein Bad in der Menge. In mehreren libyschen Städten waren Gaddafi-Gegner am Donnerstag einem Aufruf zu einem „Tag des Zorns“ gefolgt. Sie zerstörten die in Libyen allgegenwärtigen Bilder des seit 1969 amtierenden Staatschefs.
Im Nachbarland Ägypten feierten eine Woche nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak Hunderttausende Menschen den „Freitag des Sieges“ und forderten vom herrschenden Militär zügigere Reformen.
US-Außenministerin Hillary Clinton zeigte sich „tief besorgt“ über die Entwicklung im Golfstaat Bahrain. Die USA verurteilten Gewalt gegen Demonstranten und unterstützten demokratische Reformen, sagte sie in Washington. Sie habe mit ihrem Amtskollegen, Chalid al-Chalifa, telefoniert und die Vorgänge kritisiert.
Die anderen Golfmonarchien stärkten König Hamad bin Issa al-Chalifa bei einem Außenministertreffen in Manama den Rücken. Sie erklärten, die Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) seien bereit, Mitgliedstaaten zu unterstützen, wenn deren „Sicherheit und Stabilität“ gefährdet sei. Zum GCC gehören Bahrain, Saudi-Arabien, Kuwait, Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar. Beobachter fragen sich, ob das benachbarte Saudi-Arabien Truppen nach Bahrain schicken würde.
Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern der neuen Regierung in Jordanien wurden am Freitag in der Hauptstadt Amman mindestens zehn Demonstranten verletzt. König Abdullah II. hatte Anfang des Monats die Regierung ausgetauscht, nachdem Oppositionelle mehrere Wochen lang für Reformen demonstriert hatten.
Auf dem Tahrir-Platz in Kairo verlangten Hunderttausende Menschen eine vom alten Regime unabhängige Übergangsregierung, die Aufhebung des Ausnahmezustands und die Freilassung der politischen Gefangenen. Die USA boten Ägypten 150 Millionen Dollar (110 Millionen Euro) Soforthilfe an. Amerika stehe bereit, Ägypten bei demokratischen Reformen und bei der wirtschaftlichen Erholung zu unterstützen, sagte Außenministerin Clinton in Washington. Die USA hatten Ägypten in der Ära Mubarak jährlich mit Milliarden Dollar unterstützt. Besonders das Militär erhielt hohe Summen aus Washington.
Die EU will einen Kurswechsel ihrer Politik gegenüber den Nachbarn im Süden einleiten. Die Nachbarschaftspolitik solle mehr an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Partnerländern ausgerichtet werden, berichteten Diplomaten am Freitag in Brüssel. Die EU unterstützt allein Ägypten im Rahmen ihrer Nachbarschaftspolitik mit rund 150 Millionen Euro jährlich. Großbritannien überprüft seine Waffenexporte nach Bahrain.