Aussagepflicht: Noch darf der Zeuge bei der Polizei schweigen

Nach Plänen der Regierung soll es demnächst eine Pflicht zur Aussage geben – das Pro und Kontra.

Düsseldorf. "Sie kommen jetzt mit auf die Wache!" Den Befehl kennt man aus Krimis. Wenn es korrekt läuft, folgt dann der Satz, dass man als möglicher Beschuldigter einer Tat schweigen darf. Dem bloßen Zeugen einer Straftat oder eines Unfalls muss dieser Hinweis indes nicht gegeben werden.

Das ist eigentlich auch nicht weiter schlimm: Denn nach geltendem Recht muss man ja gar nicht "mit auf die Wache". Im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung findet sich jedoch der Plan, eben dies zu ändern. Zeugen sollen bei der Polizei aussagen müssen.

Immer wieder haben es die Strafverfolger mit wankelmütigen Zeugen zu tun, die nach gewissem Zeitablauf vielleicht gar nichts mehr sagen werden. Für den Ermittlungserfolg kann es entscheidend sein, wenn sie so früh wie möglich aussagen und so zur Klärung des Sachverhalts beitragen.

Im übrigen ist es doch verfahrensökonomisch, wenn die Polizei einen Zeugen, der sich ohnehin gerade am Ort des Geschehens befindet, gleich zur Vernehmung verpflichten kann. Auch ist die Polizei doch kein Gegner, dem Sand ins Getriebe gestreut werden sollte. Schließlich müsste der Zeuge bei einer staatsanwaltlichen Ladung später ohnehin aussagen.

Es geht immerhin um die Aufklärung der Hintergründe einer Straftat. Der Zeuge versetze sich in die Opferperspektive: Wer zum Beispiel überfallen worden ist, dem kann die Aussage sehr nutzen. So wird der Täter überführt, Schadensersatzansprüche werden gesichert. Je länger eine Zeugenaussage sich verzögert, umso eher besteht die Gefahr, dass Erinnerungen verblassen.

Andererseits: Ein Zeuge könnte sich überrumpelt fühlen. Und bei der Polizei den Druck verspüren, etwas zu sagen, was er vielleicht später bereut. Ihm bleibt nicht die Zeit, gründlich über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Dass er sich im Rahmen der Vernehmung vielleicht selbst "’reinreitet" und plötzlich - auch das gibt es - als Beschuldigter dasteht.

Hier kann es durchaus sein, dass es ein Staatsanwalt ernster mit seiner Aufklärungspflicht und dem Hinweis auf das dann bestehende Aussageverweigerungsrecht nimmt. Wolfgang Ewer, Präsident des Deutschen Anwalt Vereins, sagt es so: "Die Bürger sollen durch die gesetzeskundige und gesetzestreue Mitwirkung der Staatsanwaltschaft vor gesetzlichen Eingriffen der Obrigkeit im Ermittlungsverfahren geschützt werden."

Auch über eine durchaus denkbare Gefahr, nicht nur sich selbst, sondern vielleicht auch eigene Angehörige zu belasten, lohnt es sich, in Ruhe nachzudenken. Und sich gegebenenfalls mit einem Experten zu beraten. Ebenso, wenn man Zeuge einer Straftat etwa in einem Milieu geworden ist, in dem eine Aussage möglicherweise die Bedrohung der eigenen Sicherheit bedeutet.