Analyse Bekommt Kohls Witwe die Millionen-Entschädigung?

Altkanzler war Rekordsumme wegen eines umstrittenen Buches zugesprochen worden — ein Anspruch, der vererblich ist?

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Düsseldorf. Es war die höchste Summe, die je ein deutsches Gericht wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zusprach: Ex-Kanzler Helmut Kohl bekommt eine Million Euro, urteilte das Landgericht Köln im April 2017. Zahlen sollen die Autoren Heribert Schwan, Tilman Jens sowie die Verlagsgruppe Random House, wo das Buch „Vermächtnis — Die Kohl Protokolle“ veröffentlich wurde. Diese legten jedoch Berufung ein, über die das Oberlandesgericht Köln am Donnerstag verhandelt.

Maike Kohl-Richter, die Witwe von Helmut Kohl.

Foto: Boris Roessler

Nach Kohls Tod im Juni 2017 klagt nun Witwe Maike Kohl-Richter. Eben das kann eine Rolle spielen. Denn Entschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist ein höchstpersönlicher Anspruch. Er steht nur dem Betroffenen selbst, nicht aber den Erben zu.

Bei seiner Entscheidung wird das Oberlandesgericht Köln zwei Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) im Blick haben. Im Jahr 2014 urteilte der BGH, dass der Sohn des 2011 gestorbenen Entertainers Peter Alexander nicht die Ansprüche seines Vaters erbt. Dieser hatte kurz vor seinem Tod gegen verschiedene Illustrierten geklagt. Wegen der Höchstpersönlichkeit des Anspruchs konnte der Sohn den Prozess nicht weiterverfolgen. Im Fall Kohl liegt der Fall freilich etwas anders. Schließlich gibt es hier bereits ein erstinstanzliches Urteil. Geht der Anspruch daher doch auf die Erbin über?

Auch der zweite im Mai 2017 vom BGH entschiedene Fall spricht dagegen. Der 2011 wegen Beihilfe zum Mord verurteilte NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk war ebenfalls gegen Presseberichte vorgegangen, in denen er in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Die Erbin wollte nach seinem Tod den Prozess fortführen, der BGH urteilte aber auch hier, dass der Anspruch grundsätzlich nicht vererblich sei. Auch hier gab es zum Zeitpunkt des Todes von Demjanjuk zwar noch kein erstinstanzliches Urteil wie im Fall Kohl. Doch der BGH deutete an, dass er selbst in einem solchen Fall keine Vererblichkeit des Anspruchs sieht.

Bei diesem Anspruch stehe „der Genugtuungsgedanke im Vordergrund“. Er soll dem Verletzten einen ideellen Ausgleich für die Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit geben. Diese Genugtuung trete bei dem Verletzten aber „erst mit der rechtskräftigen Zuerkennung“ des Anspruchs ein. Und rechtskräftig ist das Urteil des Landgerichts bekanntlich nicht geworden. Es wird ja gerade vor dem Oberlandesgericht Köln angefochten.

Nun könnte man argumentieren, dass jemand, der in fortgeschrittenem Alter ist, schutzlos Schmähungen in den Medien ausgesetzt ist — weil ein Entschädigungsprozess in solchen Fällen so in die Länge gezogen werden könnte, dass der Betroffene vorher verstirbt. Rainer Dresen, Justiziar von Random House, ist erzürnt über eine solche Argumentation: „Uns lag bei dem Buchprojekt nichts ferner, als an ein Ableben von Helmut Kohl zu denken oder gar darauf zu spekulieren. Es war bewusst so konzipiert, dass niemand, egal welchen Gesundheitszustands, rechtswirksam dagegen Unterlassungs- oder gar Entschädigungsansprüche richten kann.“ Auch gehe es ihm nicht nur um die Vererblichkeit oder Nichtvererblichkeit des Anspruchs. „Wir wollen den Prozess nicht nur deshalb gewinnen, weil Kohl nun tot ist, sondern weil das erstinstanzliche Urteil aus rechtlichen Gründen höchst zweifelhaft ist.“