Das Ringen um die Ukraine
Brüssel und Moskau überbieten sich im Werben um Einfluss in der Ex-Sowjetrepublik mit Vorwürfen.
Vilnius. Konfrontation statt Partnerschaft. Als der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch den EU-Gipfel im litauischen Vilnius verlässt, sind die Fronten verhärtet. Kein Zeitplan, keine Aussicht, wann der fertige Pakt über eine Partnerschaft mit der EU unterzeichnet wird. Stattdessen bringt Janukowitsch alle gegen sich auf: Die EU könnte doch im Streit um sein auf Finanzhilfe angewiesenes Land mit den 45 Millionen Einwohnern auch mit Russland verhandeln. Die EU lehnt das als „schlechten Scherz“ ab. Auch das Ansinnen des mächtigen Mannes aus Kiew, in letzter Minute eine gemeinsame Erklärung zu verhandeln, wird von der EU-Spitze als verspätet zurückgewiesen.
Es ist der ungeladene Kremlchef Wladimir Putin, der wie ein Gespenst über der litauischen Hauptstadt schwebt. 28 EU-Staaten sind zusammengekommen, um insgesamt sechs Ex-Sowjetrepubliken enger an sich zu binden. Am Ende kann die EU nur Georgien und Moldau zum „historischen Schritt“ bewegen.
Auch der Gipfelort Litauen gehörte einst zum kommunistischen Imperium. Die russische Sprache ist immer noch gängig. Doch muss die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite als Gastgeberin einräumen, dass die Argumente der EU die Ukraine nicht überzeugen konnten, dass sich das 1200-Seiten-Abkommen lohne für das Land. „Schön, Sie wieder zu sehen“, begrüßt Kanzlerin Angela Merkel Janukowitsch. „Aber wir haben mehr erwartet.“
Janukowitsch sieht sich in Vilnius mit einem Bräutigam verglichen, der zwar immerhin zur möglichen Verlobung angereist sei. Dann habe er aber kalte Füße bekommen, neue Sicherheiten verlangt, also vor allem Geld. Die EU muss dem als unentschlossen beschriebenen Staatschef erklären, dass Gipfel keine Basare sind. Der französische Staatspräsident François Hollande ist kategorisch: „Nein, es wird nicht gezahlt!“
Nach der geplatzten Chance eines EU-Kurses glaubt kaum jemand, dass die Unterschrift noch vor der ukrainischen Präsidentenwahl 2015 kommt. Die Ukraine sei ein schwieriges Land, gespalten, mit einem prorussischen Osten und Süden und einem Westen, der in die EU will, so die bittere Gipfel-Bilanz.
Janukowitsch ist jetzt vor allem auf mögliche russische Finanzhilfen angewiesen. Mancher beim Gipfel fühlte sich an die Zeiten des Kalten Krieges erinnert, zumal die EU-Spitze einen ungewöhnlich harten Ton gegenüber Moskau anschlägt. Die Botschaft an Moskau ist: Es geht bei der Ostpartnerschaft für Ex-Sowjetrepubliken nicht — wie von Putin immer wieder behauptet — um ein Entweder-Oder, EU oder Russland. Vielmehr, das betonte Gipfelchef Herman Van Rompuy, hätten auch Moskau und Brüssel eine „strategische Partnerschaft“ vereinbart.