Der Luftangriff – Skandal ohne Grenzen?

Die SPD knöpft sich zum Start des Untersuchungsausschusses Verteidigungsminister zu Guttenberg vor.

Berlin. Es ist wie ein Puzzle. Mit jedem weiteren passenden Teil nimmt das Bild Gestalt an. Klar ist das Motiv samt Hintergrund durch die immer neuen Berichte und Hinweise zum Luftangriff von Kundus noch nicht.

Doch schon vor der parlamentarischen Untersuchung der Vorgänge um die von Oberst Georg Klein angeordnete Bombardierung in Afghanistan erscheint Abgeordneten klar: Einen solchen Skandal um den Befehl eines deutschen Soldaten, das Vorgehen der Bundeswehr und die politische Begleitung gab es in der Bundesrepublik noch nie. Und die Grenzen sind noch lange nicht absehbar.

Am Mittwoch wurde folgendes bekannt: Als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am 8. September in ihrer Regierungserklärung Opfer des Luftschlags vom 4. September bedauerte, lückenlose Aufklärung ankündigte und sich Vorverurteilung "im Inland wie im Ausland" verbat, kannte sie einen wichtigen Bericht von Klein noch nicht.

Das Verteidigungsministerium räumte nun ein, dass das Kanzleramt erst am 10. September von einem Bericht von Klein an den damaligen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan vom 5. September erfuhr. Darin soll Klein erklärt haben, dass er Taliban "vernichten" wollte.

Doch auch wenn Merkel dies vor ihrer Regierungserklärung nicht wusste - zwei Tage später hatte das Kanzleramt Kenntnis davon - 17 Tage vor der Bundestagswahl. Und schon am 7. September bekam das Verteidigungsministerium einen Vorbericht der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf, in dem nach SPD-Angaben "dezidiert von zivilen Opfern und Regelverstößen" die Rede war.

Dies wurde am Morgen von Merkels Regierungserklärung den Obleuten aller Fraktionen vertraulich mitgeteilt. Öffentlich machte sich der damalige Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, noch lange über den Isaf-Bericht lächerlich, indem er ihn einen "Reisebericht" nannte.

Was vor allem die oppositionellen Linken und Grünen im September argwöhnten, erscheint nun Gewissheit: Die damalige schwarz-rote Regierung hatte kaum Interesse daran, vor der Wahl am 27. September dramatische Details offenzulegen. Und auch die neue Regierung von Merkel hat mit den Informationen zu kämpfen.

Die nun in der Opposition sitzende SPD greift Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) scharf an. Er sei seinem Amt nicht gewachsen. Das zeige nicht zuletzt die Entlassung des Vier-Sterne-Generals Schneiderhan wegen angeblich dem Minister vorenthaltener wichtiger Berichte. Guttenberg habe den Generalinspekteur "geopfert, um seine eigene Haut zu retten", schimpfte der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann im Bundestag. Das sei "unanständig".

Guttenberg wiederum zeigte bei seinem Auftritt am Mittwoch im Parlament, dass er dünnhäutiger geworden ist. Er warf der Opposition "wüstes Geschrei", "großes Getöse" und "politischen Klamauk" vor. Mehr Licht in das Dunkel brachte er eher nicht.