Deutsche finden zurück zur Familie
Ministerin Schröder sieht Trends zu einem „Wertewandel“: Bei vielen Kinderlosen wächst der Wunsch nach Nachwuchs. Eltern würden gern mehr Zeit für ihre Kinder haben.
Berlin. Woran merkt man, dass eine Ministerin noch recht jung ist? An ihrem Aussehen, der Sprache, den Ideen? "Hier geht es nicht um ,good will’, um ,nice to have’", sagt Kristina Schröder und geht wie selbstverständlich davon aus, dass jeder versteht, was sie meint. "Nice to have" - neumodisch für "schick, aber überflüssig".
Das kommt der Bundesfamilienministerin so glatt über die Lippen, als ob sie sich im Kreis von Werbefachleuten über die Verkaufsstrategie für ein Produkt unterhält.
Anfang August hat Schröder ihren Geburtstag gefeiert, ist 33 geworden. Ihre öffentlichen Auftritte haben jugendliche Frische, die Stimme ist ein wenig schrill, aber bestimmt, wenn sie wie am Dienstag in Berlin der Presse den "Familienmonitor 2010" vorstellt. Das Allensbacher Institut für Demoskopie hat diese Studie zur Befindlichkeit von Familien in diesem Jahr zum dritten Mal erstellt.
Schröder selbst ist noch kinderlos, anders als ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen, die Mutter von sieben Kindern ist. Die frisch verheiratete Ministerin kann von einem "Wertewandel" in der Gesellschaft berichten: Gegenüber der Befragung 2008 wünscht sich eine Mehrheit der Kinderlosen unter 50 Jahren ein Kind (53 Prozent), damals war es noch eine Minderheit (42).
Das Elterngeld empfinden die meisten als positiv, 20 Prozent der Elterngeld-Bezieher sind inzwischen Väter. 92 Prozent der angehenden Väter hoffen, durch die Elternzeit eine engere Beziehung zu ihrem Kind zu entwickeln.
Die Ministerin muss seit ihrem Amtsantritt im vergangenen Herbst gegen den Eindruck ankämpfen, im Schatten ihrer Parteifreundin von der Leyen zu stehen. Die hatte das Elterngeld in der vergangenen Legislaturperiode durchgesetzt, dem Finanzminister das Geld für den Kita-Ausbau abgetrotzt. Nun stärken diese Milliarden zwar den Etat des Familienressorts, der gleich um ein Vielfaches gewachsen ist. Aber das heißt auch, dass Schröder selbst für neue Vorhaben kein Füllhorn zur Verfügung steht.
Aus dem Familienreport entnimmt sie, dass zur Lebenszufriedenheit von Vätern und Müttern gehört, dass mehr Zeit für die Familie bleibt. Vor allem Männer würden lieber weniger als 40 Stunden in der Woche arbeiten. Doch Väter, die um 17 Uhr ihren Nachwuchs von der Tagesmutter abholen, würden häufig belächelt, so Schröder.
Gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag will die Ministerin im Oktober eine Initiative starten, die Firmen für die Wünsche ihrer Mitarbeiter sensibilisieren soll. Flexible Arbeitszeiten, mehr unterschiedliche Teilzeitmodelle, das könnte Firmen als "strategischer Vorteil" im Werben um Fachkräfte dienen, erklärt Schröder.
Man nimmt ihr ab, dass sie, die schon als Schülerin in die Junge Union und dann in die CDU eintrat und seit 2002 im Bundestag sitzt, die Kampfeslust aufbringt, hier einiges zu bewegen.