Wie haltbar sind die Aussagen von Thilo Sarrazin?

Der Bundesbank-Vorstand äußert sich zu muslimischen Migranten und Juden. Fakten und Hintergründe zu seiner Meinung.

Berlin. Thilo Sarrazins (SPD) Meinungen auf dem Prüfstand:

Sarrazin: "Die muslimische Einwanderung kämpft seit dem Anwerbestopp für Gastarbeiter 1973 mit dem Integrationshindernis, dass sie vorwiegend auf die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaates zurückzuführen ist."

Hintergrund: Im Aufenthaltsgesetz wurden 2007 Bestimmungen aufgenommen, die deutsche Sprachkenntnisse bei nachziehenden Eheleuten, Integrationskurse und Altersbeschränkungen für nachziehende Kinder umfassen. Geregelt ist auch, dass der in Deutschland wohnende Partner Wohnung und Arbeit nachweisen mus. Seit 2002 haben sich die Zuzugszahlen mehr als halbiert.

Sarrazin: "Für die muslimischen Migranten in Deutschland lässt sich eine unterdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung feststellen. Nur 33,9 Prozent von ihnen beziehen ihren überwiegenden Lebensunterhalt aus Berufs- und Erwerbstätigkeit. Bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sind es 43 Prozent."

Hintergrund: Die Daten stammen vom Statistischen Bundesamt, das allerdings nicht nach "muslimischen" und "nicht-muslimischen" Beschäftigten unterscheidet. Laut Bundesagentur für Arbeit waren 2009 eine halbe Million Türken sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zudem leben etwa 100 000 türkisch-stämmige Unternehmer hier.

Sarrazin: "Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden."

Hintergrund: Die genetischen Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen sind in der Regel nur klein, während die Variation zwischen zwei Menschen derselben Gruppe viel größer sein kann. So kann sich etwa ein Brite genetisch stärker von seinem Nachbarn unterscheiden als von einem Chinesen. Juden gelten nicht als gemeinsames Volk, sondern als Religionsgemeinschaft. Mit Intelligenz oder Charaktereigenschaften wie Moral oder sozialem Verhalten haben genetische Unterschiede nichts zu tun.

Sarrazin: "Dagegen haben türkische Staatsangehörige in dieser Altersgruppe (25 bis 36 Jahre) zu 54 Prozent keinen Abschluss und nur zu zwei Prozent einen Hochschulabschluss. Auch bei den gleichaltrigen Deutschen türkischer Herkunft ist die Situation schlecht. 33 Prozent haben keinen Berufsabschluss, zehn Prozent einen Hochschulabschluss."

Hintergrund: Die Zahlen sind von der Bundesagentur für Arbeit. Deutsche ohne Migrationshintergrund hatten nach der Studie nur zu zwölf Prozent keinen Berufsabschluss und zu 20 Prozent einen Hochschulabschluss. Migranten etwa aus Afghanistan und Iran weisen überdurchschnittliche Schulerfolge auf.