Deutsche fliehen vor dem Chaos

Auch Familien, die seit langem in dem Land leben, packen ihre Koffer. Die Botschaft in Kairo hilft bei der Ausreise.

Kairo. Kirstin Kelling hat drei Tage hinter sich, die sie am liebsten schnell wieder vergessen würde. Die Ehefrau eines Mitarbeiters der deutschen Botschaft war mit ihrer Tochter allein zu Hause, als die Unruhen in Ägypten begannen. Ihr Mann war für eine medizinische Behandlung nach Deutschland geflogen. Zusammen mit ihren ägyptischen Nachbarn verbarrikadierte sich die deutsche Familie in ihrer Wohnsiedlung in Scheich Sajjed, einem Außenbezirk in der Wüste vor den Toren von Kairo.

„Schon am Donnerstagabend waren alle nervös. Am Freitag haben die Männer aus der Nachbarschaft dann eine Bürgerwehr gebildet und Wache geschoben. Sie haben auch eine Sicherheitsfirma beauftragt. Die schickte dann erst vier Männer mit Maschinenpistolen, später kamen noch vier weitere dazu“, erzählt Kelling. Am Sonntag telefonierten sich die Deutschen, die in den Siedlungen in der Wüste wohnen, zusammen. Sie bildeten einen Konvoi und fuhren gemeinsam zur deutschen Botschaft.

Einen Tag später wartete Kelling vor der Botschaft auf die Abfahrt eines Bus-Konvois, der Angehörige der in Kairo lebenden Deutschen zum Flughafen bringen soll. Eigentlich wollte sie schon am Sonntag nach Deutschland fliegen. Doch ein für den Nachmittag geplanter Flug wurde gestrichen.

Kelling hat die Nacht auf dem Sofa eines Diplomaten verbracht, der in einem der sichereren Viertel der Innenstadt wohnt. Es ist für die Plünderer, die in den vergangenen Nächten vielerorts ihr Unwesen trieben, nicht so leicht zu erreichen.

Tochter Aischa besucht in der deutschen Schule in Kairo die 10. Klasse. Sie hat aus dem Haus nur einen kleinen Rucksack, ein paar Kleider und ihren Laptop mitgenommen. Mutter und Tochter hofften am Montag, dass sie Plätze in einer Maschine nach Deutschland bekommen. Aufgeregt ist Aischa nicht mehr. Lediglich am Sonntagnachmittag, als plötzlich F-16-Kampfflugzeuge im Tiefflug über Kairo dröhnen, als sie gerade über die Straße läuft, zuckt sie zusammen.

Für die Diplomaten war es in den letzten Tagen nicht leicht, die Situation richtig einzuschätzen, die sich von Stunde zu Stunde veränderte. „Dies ist keine Evakuierung, wir helfen nur denjenigen, die ausreisen wollen, dies zu organisieren und zum Flughafen zu kommen“, sagte ein Diplomat.

Auch einige andere europäische Staaten haben noch keine explizite Reisewarnung ausgesprochen. Die arabischen Golfstaaten, Israel und Russland organisieren hingegen bereits Evakuierungsflüge.