Merkels Ministerinnen streiten über Frauenquote
Berlin (dpa) - Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hält trotz des Widerstands ihrer Kabinettskolleginnen eine feste gesetzliche Frauenquote in den Chefetagen der Wirtschaft für überfällig.
Sie ging damit erneut auf Gegenkurs zu Familienministerin Kristina Schröder (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in dem Streit einen „normalen Diskussionsprozess“, versicherte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach am Montag in Berlin.
Von der Leyen strebt eine verbindliche Quote von 30 Prozent in Vorständen und Aufsichtsräten an. „Wir sind im Augenblick, was Frauen in den Führungspositionen angeht, auf Höhe mit Indien, hinter Russland, hinter Brasilien, hinter China. Mit anderen Worten, es ist wirklich an der Zeit, dass sich in diesem Land auch etwas ändert.“ Es müsse „klar sein, dass die gesetzliche Vorgabe - die Schritte, die Zeitschiene - geklärt wird in diesem Jahr“, sagte sie im NDR.
Schröder sagte im ARD-„Morgenmagazin“, sie wolle keine gesetzliche Regelung, „die alle Unternehmen von der Stahlindustrie bis zur Medien- und Kommunikationsbranche über einen Kamm schert“. „Ich will eine Regelung, die die Unternehmen wirklich zwingt, sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen. Deshalb schlage ich eine flexible Quote vor, quasi eine Pflicht zur Selbstverpflichtung.“ Konkret will Schröder „die Unternehmen gesetzlich verpflichten, dass sie sich selbst eine Quote geben müssen und diese dann auch innerhalb von zwei Jahren erreichen.
Der Sprecher Leutheusser-Schnarrenbergers sagte zur Forderung von der Leyens: „Die Skepsis der Justizministerin ist allseits bekannt.“ Die Ministerin gehe davon aus, dass am Ende des Abstimmungsprozesses im Kabinett keine verpflichtende Quote stehen werde.
Die Bundesregierung will nach Angaben der Regierungssprecherin nach einem für März geplanten Gespräch mit den Arbeitsdirektoren der 30 Dax-Unternehmen „zeitnah“ einen abgestimmten Vorschlag vorlegen. Die Kanzlerin wie die gesamte Bundesregierung sei der Auffassung, dass in Deutschland zu wenig Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft gelangten.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner wies eine feste Quote als einen „tiefen Eingriff in Vertragsfreiheit und Personalpolitik der Unternehmen“ zurück. Auch die CSU sprach sich gegen eine gesetzlich festgelegte Quote aus. „Im Moment jedenfalls will bei uns an eine gesetzliche Änderung niemand heran“, sagte Parteichef Horst Seehofer. Die CSU setzt auf freiwilliges Handeln der Wirtschaft.
SPD-Vize Manuela Schwesig forderte eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent. „Wir wollen sie jetzt. Wir warten seit zehn Jahren“, sagte sie im ARD-„Morgenmagazin“. Es gebe zwar freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft. „Doch von den 200 stärksten Unternehmen haben nur drei Prozent Frauen in Führungspositionen. Das ist wirklich mittelalterlich.“
Von der Leyen versicherte, die Bewegung für eine feste Quote komme aus der Mitte des Parlamentes. „Die Gruppe der Frauen in der Union hat seit einem halben Jahr konsequent an diesem Thema gearbeitet, und sie haben inzwischen auch einen Stufenplan vorgelegt.“
Unterstützung bekam von der Leyen auch aus der EU-Kommission. Falls bis Jahresende die Konzerne nicht selbst aktiv werden, will Brüssel rechtliche Vorgaben für eine Frauenquote in Aufsichtsräten machen, kündigte EU-Justizkommissarin Viviane Reding an. „Ich möchte erreichen, dass bis 2015 30 Prozent und bis 2020 40 Prozent der Aufsichtsräte der börsennotierten Unternehmen auf Europas Binnenmarkt weiblich sind“, sagte Reding.
Die Grünen halten die Vorschläge für völlig unzureichend. „Es ist mehr als peinlich, es ist ernüchternd, was die Bundesregierung uns in diesem Bereich bietet“, sagte Parteichefin Claudia Roth. Von der Leyens 30-Prozent-Quote sei eine Mogelpackung, weil sie nur für börsennotierte Unternehmen gelten solle. Roth nannte eine generelle Frauenquote von 40 Prozent als das Ziel. Linken-Chefin Gesine Lötzsch forderte eine verbindliche Quote von 50 Prozent.