Die FDP im Freudentaumel
Parteichef Rösler widersetzt sich dem Druck der Kanzlerin.
Berlin. In den Minuten des Triumphes gönnte sich Philipp Rösler vor laufenden Kameras keine Siegerpose. Staatstragend würdigte er nach dem dramatischen Präsidenten-Poker im Kanzleramt die Kür von Joachim Gauck. Grund genug hätte Rösler gehabt. Oft genug war der frühere Bundeswehr-Arzt, der am Freitag 39 wird, in seinen erst neun Monaten als FDP-Chef von Feind und Freund gedemütigt worden.
Der Niedersachse wurde als Polit-Softie ohne Kampfesmut charakterisiert, überfordert mit den drei Rollen Parteichef, Vizekanzler und Wirtschaftsminister. Am Sonntag jedoch gingen Rösler und die gesamte Partei auf volles Risiko, reizten die Kanzlerin und die Union bis aufs Blut. Zu einem Koalitionsbruch fehlte nicht mehr viel.
Merkel tobte, als sie in einer Verhandlungspause die Eilmeldung erreichte, die FDP-Spitze habe einstimmig für Gauck gestimmt — ein Pakt mit Rot-Grün. Die fassungslose Kanzlerin bestellte ihren Vize zum Vier-Augen-Rapport. Die CDU-Chefin habe Rösler angeherrscht, ob er wegen Gauck Neuwahlen riskieren wolle. „Dann ist es vorbei!“, soll Merkel gesagt haben. Doch Rösler blieb standhaft. Sonst wäre er auch nicht mehr lange Parteichef geblieben.
Am Sonntagabend, als Merkel ihren Kniefall vor Gauck machte, bimmelten die Handys bei FDP-Leuten pausenlos. Glückwünsche wurden verschickt, es herrschte eine Stimmung so ausgelassen wie seit dem bombastischen Wahlsieg 2009 nicht mehr. Die bedingungslose Gefolgschaft für Rösler im Präsidium in der Stunde der Wahrheit wurde als neues „Wir“-Gefühl wahrgenommen.