Die Kritik am Pflege-Tüv wächst
Bayerns Sozialministerin fordert sofortigen Stopp des Systems.
München/Düsseldorf. Rund drei Monate nach Veröffentlichung der ersten Pflege-Noten im Internet wächst die Kritik an dem Bewertungssystem. Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) forderte am Montag in der "Süddeutschen Zeitung" den sofortigen Stopp des sogenannten Pflege-Tüv, der Missstände in stationären Heimen und ambulanten Diensten offenlegen soll. Die Ministerin kritisierte, dass in dem System schlechte Noten zu leicht durch gute ausgeglichen werden können.
Mit der Pflegereform war festgeschrieben worden, dass die Heime ein Mal im Jahr vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) unangemeldet überprüft werden müssen. Die Ergebnisse werden im Internet veröffentlicht. Dafür wurde ein Benotungssystem erarbeitet. Bewertet werden neben der Pflege und der medizinischen Versorgung auch weichere Faktoren wie die Verpflegung. Die Einzelnoten gehen gleichberechtigt in eine Gesamtnote ein.
Kritik kam auch von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Eine Sprecherin des Ministeriums sagte unserer Zeitung, der Minister zweifle, ob das System der Schulnoten richtig sei. Dies müsse "kritisch überprüft" werden.
Für NRW wurden nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen seit Anfang Dezember etwa 500 Pflegenoten im Netz veröffentlicht. Insgesamt gebe es mehr als 5000 stationäre Heime und ambulante Dienste im bevölkerungsreichsten Land.
Die gesetzlichen Krankenkassen wiesen den Vorstoß aus der CSU zurück. Ein Sprecher des Ersatzkassenverbandes sagte, ein Stopp bedeute einen Rückschritt bei der Transparenz der Pflege. Er verwies darauf, dass das System wissenschaftlich begutachtet (evaluiert) und - wenn nötig - nachgebessert werde. Dazu sagte Haderthauer: "Eine Totgeburt wird (...) durch Evaluation nicht lebendig."
Beim Spitzenverband der gesetzlichen Kassen (GKV) fand am Montag ein Gespräch mit rund 100 Experten statt. Die Ergebnisse sollen in die Begutachtung eingehen, so ein GKV-Sprecher.