Die Tage nach dem 11. September: Krisengespräche im Keller

Wolfgang Ischinger hatte seinen ersten Arbeitstag als Botschafter in Washington, als der Terror über die USA hereinbrach.

Berlin. Den Start in seinen neuen Job in Washington hatte sich Wolfgang Ischinger ganz anders vorgestellt. Als der neue deutsche Botschafter am Abend des 10. September 2001 in der US-Hauptstadt eintraf, freute er sich auf interessante Begegnungen.

„Ich habe das Botschaftstor in dem Bewusstsein durchschritten, jetzt fängt eine ruhige und schöne Zeit an“, sagt Ischinger heute. Am 11. September um 8 Uhr morgens nahm er an seinem Schreibtisch Platz.

Keine zwei Stunden später sah er dichten Qualm vom Pentagon jenseits des Potomac-Flusses aufsteigen. Kurz nach den beiden Flugzeugattacken auf das World Trade Center in New York war eine dritte Maschine in das Verteidigungsministerium geflogen.

In der Botschaft liefen die Drähte heiß. Ischinger hielt Kontakt mit dem damaligen Außenminister Joschka Fischer, seine Mitarbeiter fahndeten nach deutschen Opfern. Die erste Lageanalyse wurde nach Berlin geschickt.

Amerika werde von seinen Verbündeten eine „uneingeschränkte Solidarität“ erwarten, hieß es. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) machte diese Formulierung zum offiziellen Sprachgebrauch.

„Mittagessen zum Kennenlernen waren nicht möglich“, erinnert sich der heute 65-jährige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Stattdessen stand ein Krisengespräch nach dem anderen an. „Man musste sich mit Senatoren in Kellerräumen treffen, weil die dafür vorgesehenen Räume im Kongress aus Sicherheitsgründen gesperrt waren.“

Die „uneingeschränkte Solidarität“ Deutschlands mit den USA hielt nur einige Monate. Als US-Präsident George W. Bush den Irak ins Visier nahm und die Bundesregierung sich auf die Seite der Angriffsgegner schlug, begann eine diplomatische Eiszeit. „Alle Warnungen vor dem Irak-Krieg, die von uns kamen, waren sinnlos, weil die Entscheidungen längst getroffen waren.“

Nachhaltigen Schaden haben die Beziehungen nach Meinung Ischingers nicht genommen. „Allerdings glaube ich schon, dass man von einem dauerhaften moralischen und politischen Autoritäts- und Glaubwürdigkeitsverlust der amerikanischen Supermacht reden muss.“