Die Wünsch-Dir-Was-Kataloge: Nur – wer soll das bezahlen?
Wahlprogramme: Steuerentlastungen, eine sichere Rente und andere Versprechen: So buhlen die Parteien um die Bürger.
Düsseldorf. Steuern rauf oder runter? Mehr oder weniger Geld für Hartz-IV-Empfänger? Eine weitgehende Privatisierung des Gesundheitssystems oder eine Kopfpauschale für alle? Gut neun Wochen vor der Bundestagswahl liegen die Wünsch-Dir-Was-Kataloge der Parteien vor. Doch im Dickicht aus Themen und Positionen ist es nicht leicht herauszufinden, wer welche Position vertritt. Auffällig ist jedoch, dass sich bei keiner Partei Vorschläge dazu finden, wie die teuren Ideen finanziert und die Schulden abgebaut werden sollen. Die zentralen Forderungen in den Wahlprogramme im Vergleich:
Wirtschaftskrise hin oder her: Die Union hat sich klar für Steuerentlastungen in der nächsten Legislaturperiode ausgesprochen. Vorstöße aus den eigenen Reihen, die Mehrwertsteuer oder den Spitzensteuersatz anzuheben, erstickte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) frühzeitig im Keim. Sie will für die Bürger "moderate Entlastungen" - ohne allerdings ein konkretes Datum zu nennen. Im Programm machen CDU und CSU gleich drei Steuerversprechen: Der Kinderfreibetrag soll auf 8004 Euro angehoben werden; der Eingangssteuersatz wird in zwei Stufen von 14 auf 12 Prozent gesenkt. Gleichzeitig soll der schleichenden Steuererhöhung bei Einkommenszuwächsen ("kalte Progression") ein Riegel vorgeschoben werden.
Die SPD will vor allem Spitzenverdiener stärker belangen. Ab einem Jahreseinkommen von 125000Euro (Verheiratete: 250000 Euro) soll der Spitzensteuersatz auf 47Prozent steigen. Dagegen erhalten Kleinverdiener einen Steuerbonus von 300Euro, wenn sie keine Lohnsteuererklärung abgeben. Der Eingangssteuersatz soll von 14 auf 10Prozent sinken. Den Kinderfreibetrag will die SPD um 200Euro anheben.
Durch niedrige Einkommensteuersätze (10, 15 und 35Prozent) erhofft sich die FDP eine Steuervereinfachung und -senkung in Höhe von 30Milliarden Euro. Den Grundfreibetrag von 8004 Euro soll es für jeden Erwachsenen und jedes Kind geben.
Die Grünen tun es den Sozialdemokraten gleich und wollen Wohlhabende stärker belasten. Möglich machen sie das durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent, eine höhere Erbschaftsteuer auf große Vermögen und eine zeitlich befristete Vermögensabgabe.
Die Bundestagswahl
Einnahmen von 160Milliarden Euro verspricht die Linke, indem sie Millionäre und Erben stärker zur Kasse bittet und den Spitzensteuersatz auf 53 Prozent erhöhen will.
Sowohl Union als auch SPD machen Langzeitarbeitslosen Wahlgeschenke. Beide Parteien wollen die Freibeträge beim sogenannten Schonvermögen, das nicht auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet wird, erhöhen. CDU/CSU verzichten auf Einschränkungen beim Kündigungsschutz und in der Tarifautonomie. Die SPD plant hingegen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 7,50Euro pro Stunde und staatliche Zuschüsse für Geringverdiener. Damit ist sie auf einer Linie mit den Grünen. Neben einer Anhebung des monatlichen Hartz-IV-Satzes von bisher 351 Euro auf 420 Euro werben sie für einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50Euro.
Einen radikalen Umbau plant die FDP: Alle steuerfinanzierten Sozialleistungen sollen in einem Bürgergeld von durchschnittlich 662 Euro pro Monat gebündelt werden. Kündigungsschutz soll es künftig nur noch in Betrieben mit mindestens 20Mitarbeitern geben.
Und die Linke? Sie erwägt Hartz IV ganz abzuschaffen und einen Mindestlohn von 10Euro einzuführen. Ohne zu sagen, woher das Geld kommt, sollen mit einem 200-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die in diesen Tagen leidenschaftlich diskutierte Rentengarantie spielt in den Wahlprogrammen kaum eine Rolle. Dennoch mangelt es den Parteien nicht an Rezepten für die Altersvorsorge. Einig sind sich Union und SPD, dass das bestehende System aus gesetzlicher Rente sowie betrieblicher und privater Altersvorsorge beibehalten werden muss. Ähnlich wie die anderen Parteien wollen CDU/CSU, dass die Kindererziehung bei der Rente besser berücksichtigt wird.
Kein Rütteln gibt es für die Sozialdemokraten an der Rente mit 67. Die geförderte Altersteilzeit soll bis 2015 verlängert werden. Langfristig plant die Partei, die Rente zu einer Erwerbstätigenversicherung weiterzuentwickeln, die Selbstständige mit einbezieht.
Pragmatisch lösen die Liberalen das Rentenproblem: Jeder soll sich mit 60 auf sein Altenteil zurückziehen können - dafür muss er dann aber mit Abschlägen rechnen.
Um Altersarmut zu verhindern, setzen sich die Grünen für eine teilweise steuerfinanzierte Garantie-Rente ein. Langfristig wollen sie die Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung für alle weiterentwickeln. Derweil wirbt die Linkspartei dafür, die Rente mit 67 zu kippen und stattdessen eine Mindestrente von monatlich 800Euro einzuführen.
Die Gesundheitsreform ist ein heikles Thema, bei dem sich die Parteien mit Vorschlägen überbieten. Diese bleiben aber oft nebulös. So strebt die Union bei der Reform "Kurskorrekturen" an - zum Beispiel beim Finanzausgleich der Krankenkassen und bei den Ärztehonoraren. Klar ist, dass CDU/CSU gegen die Bürgerversicherung sind. Von einer einheitlichen Gesundheitsprämie (Kopfpauschale) ist nicht mehr die Rede.
Die Sozialdemokraten haben die Bürgerversicherung zum Ziel, in die auch Beamte und Selbstständige einzahlen. Im Programm tauchen auch höhere Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung auf. Wer sich als Angehöriger um Pflegebedürftige kümmert, soll pro Jahr einen bezahlten Freistellungsanspruch von zehn Tagen erhalten.
Für eine weitgehende Privatisierung steht die FDP. Um mehr Wettbewerb zu erreichen, sollen die Kassen ihre Beiträge wieder selbst festsetzen. Besondere Risiken - etwa bei Sportlern - sollen extra versichert werden.
Um die "Zwei-Klassen-Medizin" zu überwinden, wollen die Grünen eine Bürgerversicherung, die den Gesundheitsfonds ersetzt. Prävention und Gesundheitsförderung werden groß geschrieben. Passé ist mit der Partei hingegen die Praxisgebühr von 10Euro je Quartal. Diese will auch die Linkspartei abschaffen. Zudem soll der Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen ausgeweitet werden. Alle Berufsgruppen und Einkommensarten würden zur Finanzierung dieses Modells herangezogen.