Die Zeichen stehen auf Bürgerkrieg
Erneut Tote und Verletzte bei Kämpfen im Osten des Landes. Separatisten schießen Helikopter der ukrainischen Armee ab.
Kiew. Panzer nehmen Barrikaden unter Feuer, Kampfhubschrauber stürzen ab, Menschen sterben: Am Freitag hat erneut bürgerkriegsähnliche Gewalt den Osten der Ukraine erschüttert. Im Zentrum der Gefechte stand einmal mehr die Separatisten-Hochburg Slawjansk. Am Vormittag rückten dort ukrainische Einheiten gegen Stützpunkte der Separatisten vor, die sich seit Wochen in der Stadt verschanzt halten. Die Aufständischen feuerten mit Flugabwehrraketen zurück und schossen zwei Militärhubschrauber ab. Es gab Tote und Verletzte. Mindestens zwei Piloten der ukrainischen Armee und ein Aufständischer starben.
Die genaue Zahl der Opfer blieb bis zum frühen Abend ebenso unklar wie das Motiv für die Offensive. In den vorangegangenen Tagen hatte in der Region gespannte Ruhe geherrscht — auch weil sich noch immer sieben Militärbeobachter der OSZE in den Händen der Separatisten befinden. Darunter sind vier Deutsche. Die Geiseln waren zwar nach Angaben der Bundesregierung nicht direkt von den Kämpfen betroffen. Ihre Lage dürfte sich nun aber noch komplizierter gestalten.
Darauf deutet auch die scharfe Reaktion aus Moskau hin. Kremlsprecher Dmitri Peskow verurteilte die „Strafaktion“ der Armee scharf und sprach von einem „Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung“. Die Regierung in Kiew habe „in den Kampfmodus geschaltet“ und sabotiere auf diese Weise endgültig das Genfer Abkommen. „Die Hoffnung schwindet.“ Russland wird entscheidender Einfluss auf die Rebellen nachgesagt.
Der Innenminister der Übergangsregierung in Kiew, Arsen Awakow, teilte seinerseits nur mit, Armee und Nationalgarde hätten in Slawjansk neun Kontrollposten der Rebellen erobert. Warum und mit welchem konkreten Ziel der Angriff am Freitag erfolgte, sagte er nicht. Ein Sprecher der Nationalgarde verstieg sich zu der Behauptung, man habe „die Stadt von Terroristen gesäubert“. Dafür gab es jedoch keine Belege. Die Armee zeigte Bilder von vier Festgenommenen, die sie für die Angriffe auf die Hubschrauber verantwortlich machte.
Der Slawjansker Separatistenführer Wjatscheslaw Ponomarjow seinerseits forderte in einem Videoappell Frauen und Kinder auf, zu Hause zu bleiben. Weiter erklärte er: „Wir wurden angegriffen. Unsere Stadt wird belagert, es gibt Verluste. Aber wir werden siegen.“ Russische und ukrainische Medien zeigten Bilder aus der Stadt. Darauf waren Kämpfer der pro-russischen Miliz zu sehen, die den verletzten Piloten eines abgeschossenen Hubschraubers abführen.
Bereits am Vortag hatte Interimspremier Arseni Jazeniuk gewarnt, seinem Land würden „die zehn gefährlichsten Tage seit dem Zerfall der UdSSR“ bevorstehen. Er hatte dabei allerdings vor allem den 9. Mai im Auge. Am Tag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg erinnern Russen und Ukrainer an die deutsche Kapitulation im Zweiten Weltkrieg. Zu diesem Termin ist die Gefahr nationalistischer Aufwallungen auf allen Seiten groß.