Eine zweite Chance für Barack Obama
Der Präsident hat es geschafft: Er siegt überraschend deutlich und wird von seinen Anhängern frenetisch gefeiert — wie 2008.
Chicago. Es ist der Augenblick des Triumphes. Fast wie vor vier Jahren ist die Stimmung bei der nächtlichen Siegesfeier in Chicago. „Wir leben in dem großartigsten Land der Welt“, ruft ein überschwänglicher Barack Obama seinen jubelnden Anhängern zu.
Wie weggewischt sind die Strapazen des Wahlkampfes, wie weggewischt sind die Zweifel, die Ängste. Plötzlich, in dieser Nacht, scheint wieder alles möglich. „Heute habt Ihr Tatkraft gewählt, nicht Politik nach altem Schema“, ruft ein gelöster Präsident. „Four more years“ (vier weitere Jahre), antwortet ihm die Menge. Es scheint, als sei die Zukunft Amerikas wieder weit offen.
Es war Anfang Oktober im ersten TV-Duell zwischen Obama und seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney, als die Amerikaner einen ermüdeten, nahezu resignierten Amtsinhaber erlebten.
Der einst umjubelte Politiker war zum Getriebenen geworden, der hart um seine Wiederwahl kämpfen musste. Die Leichtigkeit und der Charme, mit dem der „Menschenfischer“ Obama 2008 die Herzen der Amerikaner erobert hatte, waren nur noch vage Erinnerungen aus einer längst vergangenen Zeit.
In der Nacht zu Mittwoch aber ist wieder der Zauber von einst zu spüren. Der 51-Jährige wirkt wie ausgewechselt. Seinen Anhängern verspricht er: „Das Beste kommt noch für die Vereinigten Staaten von Amerika.“ Er kehre „gestärkt“ ins Weiße Haus zurück und sei „noch motivierter als bisher für die Arbeit, die anliegt, und unsere Zukunft“.
Dabei weiß Obama nur zu gut um die Probleme des Landes. Lange nicht mehr wurde ein Wahlkampf in den USA mit derart harten Bandagen geführt. Das Land ist tief gespalten. Fast beschwörend appelliert der Mann im Weißen Haus an die Einheit des Landes.
Der erste schwarze Präsident der US-Geschichte bekommt nun eine zweite Chance — trotz der Krise in den USA, trotz weit verbreiteter Zukunftsangst unter den Amerikanern. Obama wurde nicht wiedergewählt, weil er eine brillante Bilanz vorlegte oder weil er abermals mit hochfliegenden Visionen lockte.
Diesmal war es ein mühsam erkämpfter Arbeitssieg. Nicht zuletzt wurde Obama wiedergewählt, weil die Amerikaner seinem Gegner Mitt Romney nicht recht über den Weg trauten.
Obama hat aber auch etwas in Gang gesetzt, was die Amerikaner ganz offenbar schätzen. Er hat die Krankenversicherung für alle durchgesetzt. Er hat den Irak-Krieg beendet, will aus Afghanistan abziehen, hat Terrorchef Osama bin Laden zur Strecke gebracht. Doch vor allem: Er hat sich der Spaltung der US-Gesellschaft entgegengestemmt.