Einsatz in der Türkei: Defensiv, aber gefährlich

Aus Solidarität sendet Deutschland seine „Patriots“ und Soldaten. Aber die Lage ist bedrohlich.

Berlin. Es waren beunruhigende Nachrichten, die das Kabinett am Donnerstag kurz vor der Entscheidung über den neuen Bundeswehr-Einsatz in der Türkei erreichten. Der US-Fernsehsender NBC berichtete unter Berufung auf Regierungskreise, das syrische Militär warte nur auf den Befehl von Präsident Baschar al-Assad, um Chemiewaffen gegen aufständische Bürger einzusetzen.

Der Einsatz von Chemiewaffen gilt als „rote Linie“, bei deren Überschreitung ein militärisches Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft sicher wäre. Selbst für die beiden Veto-Mächte Russland und China, die bislang wie Schutzpatrone Assads agieren, würde das wohl das Ende der Zurückhaltung bedeuten.

Solche Horrorszenarien wollte sich Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nicht ausmalen. „Deutschland ist an keinerlei Überlegungen beteiligt, die auf eine Intervention hinauslaufen“, sagte er. Trotzdem zeigen die Spekulationen, dass es sich bei dem Einsatz von Raketenabwehrstaffeln und Awacs-Aufklärungsflugzeugen nicht um eine Routine-Mission der Nato handelt.

Deutschland stellt zwei von sechs „Patriot“-Staffeln. Die anderen Batterien kommen aus den USA und den Niederlanden. Gegen Mörserbeschuss, zu dem es schon mehrfach aus Syrien kam, können die „Patriots“ nichts ausrichten. Aber Assad verfügt auch über Raketen, die im Ernstfall große Teile des türkischen Staatsgebiets erreichen könnten.

Die Awacs sollen den Luftraum über der Türkei überwachen. Frühere Einsätze der High-Tech-Maschinen waren umstritten, weil sie auch als fliegende Gefechtsstände genutzt werden können. Schon während des Irak-Kriegs kreisten sie über der Türkei, um die Außengrenze des Bündnisses zu überwachen.

Bei der neuen Mission geht es um Abschreckung. Deutschland ist aber auch gefordert: Das Ausscheren aus dem Libyen-Einsatz 2011 ist in der Nato nicht besonders gut angekommen. Jetzt ist die Bundeswehr beim Schutz des Bündnisgebiets vorne dabei — auch, um die „Verlässlichkeit Deutschlands als Bündnispartner“ zu unterstreichen.

Der defensive Charakter des Einsatzes ist festgeschrieben. Westerwelle wies aber darauf hin, dass beim Einsatz von Chemiewaffen eine neue Lage entstehen würde: „Man weiß nicht, wozu ein Regime, das zerfällt, fähig ist.“