EKD-Chef Nikolaus Schneider tritt zurück
Schneider möchte sich um seine kranke Frau zu kümmern.
Berlin/Düsseldorf. Wie mit dem Wasser der Sintflut gewaschen, so fühle er sich, sagt Nikolaus Schneider mit den Worten der Lyrikerin Hilde Domin. „Durchnässt bis auf die Herzhaut.“ Nur Stunden zuvor hat der 66-Jährige seinen Rücktritt als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bekanntgegeben. Seine Frau Anne ist an Brustkrebs erkrankt, auch das Lymphsystem ist schon befallen. Er müsse jetzt bei ihr sein, sagt Schneider. In dieser Zeit, „da geht die Liebe zu meiner Frau vor den Dienst.“
In den kommenden Monaten wird er nur wenige Termine wahrnehmen. Doch ein „geordneter Wechsel im Amt“ sei ihm wichtig, sagt er. Offiziell bleibt er bis 10. November und verschafft der EKD damit etwas Luft, einen neuen ersten Repräsentanten der rund 23,4 Millionen Protestanten hierzulande zu finden.
Der damalige rheinische Präses und EKD-Vize Schneider war 2010 pflichtbewusst von Düsseldorf aus in die Bresche gesprungen, als Margot Käßmann ihr Spitzenamt nach einer Alkoholfahrt am Steuer niederlegte. Mit klaren politischen Positionen und differenziertem Blick in ethischen Fragen bewies er rasch eigenes Profil. Nach jahrelanger Funkstille zwischen EKD und den Muslimen brachte er den Dialog 2012 wieder in Gang.
Den großen Durchbruch bei der Zusammenarbeit mit den Katholiken gab es während seiner Amtszeit zwar nicht — ein bewegender Moment war aber sicher die Begegnung mit Benedikt XVI. 2011 in Erfurt: Am Ende von dessen Predigt umarmte Schneider den Papst.
Wer soll nun das Spitzenamt übernehmen? Und welche Aufgaben warten auf den künftigen Lotsen der deutschen Protestanten? Ein Nachrücken des Stellvertreters wird es nicht geben, da der derzeitige Vize, Sachsens Landesbischof Jochen Bohl, auf die Pensionsgrenze zusteuert.
Im Gespräch ist der neue Münchner Bischof Heinrich Bedford-Strohm. Im Bayerischen Rundfunk warb der Vizepräses der EKD-Synode, Günther Beckstein, am Montag bereits für seinen Landsmann: „Er geht mit großem Schwung an seine Aufgaben heran, kann mit Begeisterung über seinen Glauben reden und damit auch andere begeistern.“ Das wird auch nötig sein. Denn die Zahl der Protestanten sinkt.
Doch das kann und will Schneider nicht länger in den Mittelpunkt seines Denkens und Wirkens stellen. Noch in dieser Woche beginne die Therapie für seine Frau. Was das bedeuten kann, weiß die Familie. 2005 starb ihre damals 22-jährige jüngste Tochter an Leukämie. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte Schneider einmal: „Das ist mit Worten kaum zu beschreiben, was da passiert. Was mich sehr trägt, ist mein Glaube, dass ich sowohl für unsere gestorbene Tochter als auch für uns weiß, dass wir in Gottes Hand geborgen sind. Was hilft, ist eine gute Familie — wir haben eine sehr vertrauensvolle, liebevolle Beziehung zueinander, die tröstet und trägt und aufrichtet —, Freundschaft und eine Kirche.“