Frontalangriff vom türkischen Premier

Erdogan kritisiert erneut massiv die deutsche Politik und spricht von „Menschenrechtsverletzungen“.

Berlin. Zwei Mal wiederholt der türkische Premierminister den Satz auf Deutsch: „Wir gehören zusammen.“

Den deutschen und türkischen Gästen, die sich zur Feier des 50. Jahrestages des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens im Auswärtigen Amt am Mittwochmittag zusammengefunden hatten, merkt man an, dass diese Art, Sympathiepunkte für die Türkei zu sammeln, gut ankommt.

Und als Recep Tayyip Erdogan sich schließlich noch via Dolmetscher für seine „schlechten Deutschkenntnisse“ entschuldigt, wirkt das wie eine kleine Entschädigung für die Frontal-Angriffe, die Erdogan am Morgen über die „Bild“ gestartet hatte.

Er unterstellte dort, dass die deutsche Politik die Zuwanderer aus seinem Land nicht als „Bereicherung“, sondern als „Gefahr“ sieht. Und als ob das nicht reicht, setzt er noch einen drauf: „Wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten Voraussetzung erklärt, verletzt die Menschenrechte.“

Erdogan hatte schon vor einem guten Jahr die deutsche Politik bei einem Besuch massiv kritisiert, weil Berlin durchsetzen wollte, dass in Deutschland lebende Kinder von Türken die deutsche Sprache noch vor der türkischen Sprache lernen sollen.

Am Mittwoch spielt er die Äußerungen herunter. Er habe nur den Standpunkt der Sprachwissenschaftler zum Ausdruck bringen wollen: „Wenn ein Kind eine neue Sprache erlernen soll, muss es die eigene Sprache gut kennen.“

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, wies die Kritik Erdogans höflich, aber kühl zurück und nannte Deutsch-Spachkurse keine Menschenrechtsverletzung, sondern „eine große Hilfe für die Menschen, wenn sie sich heimisch fühlen“.

Die schroff-impulsive Art des Gastes, der mit Ehefrau — sie trug während der Feierstunde ein Kopftuch — und großer politischer Delegation nach Berlin gekommen war, kennt man in Regierungskreisen zur Genüge.

Auch bei einem Vier-Augen-Gespräch im Anschluss an den Festakt im Auswärtigen Amt soll es in Merkels Dienstzimmer zu ziemlich deutlichen Wortwechseln gekommen sein. Ein Tagesordnungspunkt: Ankara möchte gerne eine türkische Universität auf deutschem Boden; Berlin lehnt das ab.

Aber es muss auch sehr nachdenkliche Momente gegeben haben. Die Griechenland-Krise wurde nur am Rand gestreift. Schwieriger gestaltet sich das türkisch-syrische Verhältnis. Erdogan soll sehr nachdrücklich die Diktatur in dem Nachbarland kritisiert haben.