Ein Atomausstieg mit rechtlichem Restrisiko
Der Konzern Vattenfall klagt auf Schadenersatz. Andere Betreiber könnten folgen.
Berlin. In den Vorstandsetagen der Energiekonzerne ist das Urteil klar. Es könne nicht einfach Eigentum enteignet werden, um den Atomausstieg herbeizuführen.
Durch die völlig unerwartete Kehrtwende der Regierung nach der Fukushima-Katastrophe verloren Eon, RWE, Vattenfall und EnBW als Betreiber der deutschen Atommeiler ein Milliardenvermögen. Denn die AKW brachten ihnen bis zu eine Million Euro pro Tag.
Seit Monaten haben die Konzerne von Anwaltskanzleien Klagen vorbereiten lassen. Noch in diesem Jahr könnte auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Regierung eine Klagewelle zukommen. Wie am Mittwoch durchsickerte, will Vattenfall noch vor Weihnachten das Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten in Washington anrufen.
Hier hätte man wohl gute Chancen, da sich das schwedische Unternehmen als ausländischer Konzern auf die Investitionsschutzregeln des internationalen Energiecharta-Vertrags berufen könnte, heißt es.
Auch die Konzerne Eon und RWE erwägen Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe. Die mehrheitlich Baden-Württemberg gehörende EnBW hält sich bisher bedeckt. Bekämen die Konzerne Recht, würde es für den Bund und damit den Steuerzahler sehr teuer.
Während Vattenfall mit der Klage in den USA vor allem auf eine finanzielle Entschädigung pocht, könnten Eon und RWE mit Klagen hierzulande zusätzlich versuchen, die 13. Novelle des Atomgesetzes per Verfassungsklage als solche zu kippen.
RWE zum Beispiel kann nicht nachvollziehen, warum die binnen weniger Monate ans Netz gegangenen Meiler Gundremmingen B und C 2017 beziehungsweise 2021 stillgelegt werden müssen. Eon verweist darauf, dass man auch 500 000 Kleinaktionäre habe und verpflichtet sei, deren Vermögen zu schützen.
Beide Konzerne verspüren dank jüngster Bedenken der Finanzgerichte Hamburg und München gegen die Brennelementesteuer Rückenwind. Die von möglichen Schadenersatzklagen unabhängigen Verfahren gegen diese Steuer führten dazu, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorerst nicht mit den angepeilten 1,3 Milliarden Euro pro Jahr rechnen kann.
Wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abgabe musste der Staat RWE und Eon gerade 170 Millionen Euro zurückerstatten.