Für Kruzifixe und Strafen bei "Gotteslästerung"

Mit der Wiederbelebung der Kruzifix-Debatte unterstellt die Union, dass wir uns wegen der Vernachlässigung unserer christlichen Wurzeln der Strahlkraft des Islam nicht erwehren könnten.

<strong>Düsseldorf. Offenbar als Antwort auf den als bedrohlich wahrgenommenen Vormarsch islamischen Gedankenguts will die Union das Christentum im "öffentlichen Raum" stärken. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla verlangte, in allen Schulen künftig Kruzifixe anzubringen. Und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) kündigte zugleich eine Bundesratsinitiative an, um "Gotteslästerung" künftig wieder bestrafen zu können. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt in München zur Abstimmung vor. Demnach soll eine Beschimpfung der Kirche oder der Religion nicht erst dann strafbar sein, wenn sie den öffentlichen Frieden stören könnte. Stoiber hatte diese Strafverschärfung nach der Comic-Serie "Popetown" gefordert, in der der Papst verspottet wurde. Bis zum Jahr 1969 war "Gotteslästerung" schon einmal Offizialdelikt. Wilhelm Busch, Bert Brecht oder auch Arno Schmidt wurden Opfer solcher Verfolgung. Nach der Strafrechtsreform 1969 war nicht mehr "Gotteslästerung" Gegenstand der Strafbestimmung. Vielmehr ist jetzt strafbar, wer die religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisse "in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören". Das geschützte Rechtsgut ist also der "öffentliche Frieden". Auch dieser Paragraph hat seine Fallstricke. Schon Karl Kraus wusste: "Das religiöse Gefühl liebt nichts so sehr wie seine Kränkung." Und es gerät immer dann in besondere Wallung, wenn es ein anderer nicht hat. Verurteilungen scheiterten aber meist daran, dass die Gerichte selbst dann, wenn die Beleidigten die Störung des öffentlichen Friedens selbst gewalttätig herbeiführten, von einem Schuldspruch absahen, weil sie das Rechtsgut der Meinungsfreiheit oder der künstlerischen Freiheit höher einschätzten. In einem Fall aber wurde die Tatsache, dass ein Autor Morddrohungen erhielt, tatsächlich zu seinem Nachteil als Beleg für die "Störung des öffentlichen Friedens" herangezogen. Kommentar: Bitte keinen Kampf der Religionen Die Debatte um die zum Islam konvertierten deutschen Terroristen wird immer kopfloser. Erst wollte der künftige bayerische Ministerpräsident Beckstein alle Konvertiten überwachen lassen. Nun fordert CDU-Generalsekretär Pofalla als Gegenmaßnahme die christliche Offensive: Kruzifixe zurück in alle staatlichen Schulen, heißt der Schlachtruf. Und Edmund Stoiber verabschiedet sich mit einer Bundesratsinitiative, nach der Gotteslästerung wieder schärfer unter Strafe gestellt werden soll.

Hinter dem ersten Vorstoß steckt die Annahme, wer sich von der Weltreligion des Islam angezogen fühle, müsse sich per se unterstellen lassen, ein Dschihadist zu sein. Schon auf den ersten Blick ist diese abstruse Idee mit dem Grundsatz der Religionsfreiheit nicht in Einklang zu bringen. Wir würden zu Recht aufschreien, wenn beispielsweise die Türkei mit Konvertiten zum christlichen Glauben in ähnlicher Weise verfahren würde.

Natürlich dürfen wir nicht länger die Augen davor verschließen, dass in den Parallelgesellschaften muslimischer Gemeinschaften in diesem Land manche Grundregeln unserer Verfassung faktisch außer Kraft gesetzt sind. Die Anerkennung des Toleranzgebots und die Gleichberechtigung der Frauen können wir aber ganz sicher nicht durch einen Kampf der Kulturen bzw. der Religionen erreichen. Zur Erinnerung: Auch die Forderung an die Türkei, die christlichen Kirchen nicht länger zu gängeln, fußt auf dem Grundrecht der Religionsfreiheit. Dieses aber schützt Gläubige vor staatlicher Repression ebenso wie vor einer Aufteilung in bessere und schlechtere Glaubensgemeinschaften.

Neutraler wirkt da schon Stoibers Forderung, in Deutschland den Straftatbestand der Gotteslästerung wieder einzuführen. Schließlich könnten davon alle Religionen "profitieren". Tatsächlich aber würden wir durch ein solches Recht die Meinungsfreiheit massiv einschränken und uns in eine Art mittelalterliche Verfasstheit zurückbeamen, die wir arabischen Regimen vorwerfen. Wie können aufgeklärte Menschen nur so törichte Debatten anstoßen?