Verfassungsschutz: Turbulenz im Schattenreich

NRW-Innenminister Ingo Wolf ist wegen einer Spitzelpanne in der Bredouille.

Düsseldorf. Eine veritable V-Mann-Affäre sorgt für hektische Aufregung im NRW-Innenministerium. Die Enttarnung des Neonazi-Spitzels Sebastian S. (27) - verursacht wohl durch ein klassisches Organisationsversagen - bringt Minister Ingo Wolf (FDP) in arge Bedrängnis. Aus seiner Partei hieß es: "Er steht mit dem Rücken zur Wand."

Alles begann im vergangenen Jahr. Auf der Suche nach einem geeigneten Spitzel, der die recht aktive westfälische Neonazi-Szene ausspähen sollte, stießen die Düsseldorfer Schlapphüte auf Sebastian S. Der war nicht nur strammer Rechter, sondern hatte auch jede Menge Kriminelles auf dem Kerbholz: Insgesamt 178 Vergehen - vom Drogenbesitz über Nötigung bis hin zum Waffenhandel - werden ihm zu Last gelegt, NRW-Gefängnisse hat er schon von innen gesehen. Aber er erwies sich als zuverlässiger Informant, lieferte Berichte über die Rechtsradikalen im Großraum Bielefeld/Paderborn/Dortmund - dort, wo sich auch "SS-Siggi" Borchardt ("Dortmunder Borussenfront") tummelt.

Die Informationen waren teils lapidar, betrafen etwa die Besucherzahl bei dem Rechtsradikalen-Konzert "Blood and Honor" in Holland. Teilweise bezogen sie sich aber auch auf harte Fakten, zum Beispiel, wer welche Waffen besaß. Die Verfassungsschützer waren zufrieden, S. auch - denn er kassierte fleißig Honorare.

Doch dann passierte der Super-Gau im Umgang mit einem V-Mann: Sebastian S. geriet in das Visier von Polizei und Staatsanwaltschaft. Denn ein 22-jähriger Freund von ihm verübte im Februar 2007 einen bewaffneten Raubüberfall auf einen Supermarkt, schoss vier Mal und verletzte dabei eine Person schwer. "Er hat mir eine Waffe in die Hand gedrückt, dann bin ich los", sagte der 22-Jährige vor dem Dortmunder Gericht und belastete damit Sebastian S. schwer. Vor den acht Jahren Freiheitsstrafe schützte ihn das nicht.

Für den Verfassungsschutz ist es allerdings wesentlich peinlicher, dass der Anwalt des 22-Jährigen, ein in der rechten Szene wohlbekannter Rechtsbeistand, Akteneinsicht erhielt. Und da war zu lesen, dass Sebastian S. von seinem V-Mann-Führer beim Verfassungsschutz vor gegen ihn laufenden Ermittlungen und Überwachungen gewarnt worden ist: "Ruf mich nicht mehr über Handy an."

Mehr noch: In der Akten fanden sich über Querverweise die Mobiltelefonnummern weiterer V-Leute in der westfälischen Neonazi-Szene. Bis zu zwölf Spitzel wurden so enttarnt, heißt es aus Geheimdienstkreisen: "Das ist ein Desaster, wir haben keinen Mann mehr dort."

Schon werden auf rechtsradikalen Internetforen die Spitzel mit Klarnamen genannt. Völlig unklar ist bislang, wie der Staat sie vor der Rache der Radikalen schützen will.

Die größte Fangemeinde des Verfassungsschutzes dürfte Springerstiefel tragen und glatzköpfig sein. Wieder wird der Staat in seinem Abwehrkampf gegen Radikale von V-Leuten blamiert. Die Rechten schlagen sich auf die Schenkel. Wie beim vermasselten NPD-Verbotsverfahren kommt auch jetzt der dubiose Spitzel aus NRW. Doch anders als damals liegt die Verantwortung konkret beim Landesinnenminister. Ingo Wolf geht schweren Zeiten entgegen. Seine Leute haben einem rechten Kriminellen freie Hand gelassen. Ein Mensch wurde schwer verletzt, andere V-Leute sind enttarnt und müssen Rache fürchten. Wolf wird sich der Verantwortung stellen müssen.